Koch: Musikalisches Lexikon

Farbenclavier,

<555> Clavecin oculaire. Der Jesuit Louis Bertrand Castel in Paris kam auf den Einfall vermittelst des Wechsels und der Harmonie der Farben, die er nach einer gewissen Abstufung unter die Tasten eines Clavierinstrumentes vertheilte, auf das Empfindungsvermögen ohngefähr auf die nemliche Art zu wirken, wie es in der Tonkunst vermittelst des Wechsels und der Harmonie der Töne geschieht. Nachdem er im Jahre 1725 diese Idee bekannt gemacht hatte, verfertigte er einige Jahre nachher ein Claviatur-Instrument, welches bey dem Niederdrucke der Tasten, die von ihm dafür bestimmten Farben zeigte, und zwar nach <556> folgenden von ihm angenommenen Grundsätzen.1

  1. "Es giebt einen festen Stammton, den wir C nennen wollen; es giebt eine feste, tonische und gründliche Farbe, die allen Farben zum Fundament dient, und das ist Blau.
  2. Man hat drey wesentliche Klänge, die von diesem Stammtone abhängend, mit ihm eine vollkommene und ursprüngliche Zusammenstimmung ausmachen, nemlich c e g; man hat drey ursprüngliche Farben, welche von dem Blau abhängend, aus keiner andern Farbe, zusammen gesetzt sind, und die andern alle hervorbringen, nemlich Blau, Gelb und Roth. Blau ist der Grundton, Roth die Quinte, und gelb die Terz.
  3. Es finden sich fünf tonische Farben, worauf sich gemeiniglich die übrigen beziehen: Blau, Grün, Gelb, Roth, Violet, und man hat zwey zweydeutige, nemlich Aurora und Violant, welches ein etwas brennendes Blau ist.
  4. Aus fünf ganzen und zwey halben Tönen bestehet die so genannte diatonische Tonleiter: c, d, e, f, g, a, h;

auf gleiche Weise entspringen aus fünf völligen und zwey halben Farben die natürlichen Stufen der auf einander folgenden Farben: Blau, Grün, Gelb, Aurora, Roth, Violet und Violant. Denn das Blaue leitet zum Grünen, welches halb blau, und halb gelb ist:

Das Grüne leitet zum Gelben, das Gelbe zum Aurora, u.s.w. Das Violant, welches fast ganz blau ist, leitet wieder zum reinen, aber um die Hälfte hellern Blau, so dass mit der erhöheten Oktave alle vorhergehende Farben in eben derselben Ordnung, nur um die Hälfte heller, zum Vorscheine kommen."

Auf diese und dergleichen Sätze gründete der Pater Castel die Ausführung seiner Idee; er setzte überdies den Farben noch Pfeifen hinzu, um, wie er glaubte, die Aehnlichkeit <557> der Farben mit den Tönen noch fühlbarer zu machen.

Weil die Farbe kein solches leidenschaftliches Ausdrucksmittel abgeben kann, wie der Ton, so ist leicht einzusehen, daß durch ein solches Farbenspiel die Absicht des Erfinders nicht erreicht werden konnte; daher man auch diese Erfindung nicht weiter zu benutzen gesucht hat.

Fußnoten:

Fußnote 1 (Sp. 555/556):

Ausführlicher als hier findet man diese Grundsätze, nach welchen der Erfinder die Farben ordnete, in Mizlers musikal. Bibliothek, 2 Band. S. 270, woraus diese Beschreibung wörtlich entlehnt ist.

zurück
nach oben