Koch: Musikalisches Lexikon

Kammermusik,

<820> ist in dem eigentlichen Sinne des Wortes eine solche Musik, die nur an Höfen gebräuchlich ist, und bey welcher man, weil sie bloß zur Privatunterhaltung des Regenten veranstaltet wird, niemanden ohne besondere Erlaubniß den Zutritt als Zuhörer verstattet. An verschiedenen Höfen pflegt man <821> aber auch mit diesem Ausdrucke noch die so genannten Hof-Concerte zu bezeichnen, die zwar eigentlich nur für den Hof, und was sich an denselben anschließt, bestimmt sind, woran aer auch andere Personen, jedoch in dem Concert-Saale von dem Hofe isolirt, als Zuhörer Antheil nehmen können.

Weil bey der Kammermusik die Absicht der Kunst niemals besonders dahin gerichtet war, religiöse Empfindungen wie in der Kirche, oder moralische Empfindungen wie in der Oper auszudrücken, sondern nur zum Privatvergnügen des Regenten oder des Hofes zu dienen, und weil sie überdies nur in einem Zimmer und mit schwacher Besetzung der Instrumente ausgeführt wurde, so veranlaßten alle diese Umstände, daß die ältern Tonsetzer die Kunstprodukte für die Kammer mehr ausarbeiteten, feiner nuancirten und mehr mechanische Fertigkeit der Ausführer dabey vorausetzten, als sie es bey Tonstücken für die Kirche, oder für das Theater, theils wegen der Größe der Gebäude, theils auch wegen der stärkern Besetzung der Stimmen, u.s.w. für schicklich hielten. Sie ahmten dabey gleichsam dem Maler nach, der ein Gemäde, welches bestimmt ist, dem Auge nahe zu seyn, weit feiner schattirt und ausmalt, als z.B. ein Deckengemälde, welches weit von dem Auge entfernt ist, und bey welchem nicht allein diese Feinheiten verloren gehen sondern sogar die Wirkung des Ganzen schwächen würden. Auf eine ähnliche Art behandelten die Tonsetzer die für die Kammermusik bestimmten Produkte der Tonkunst, und daher bekamen diese Arten der Tonstücke ein eigenes Gepräge, welches man noch bis jetzt mit dem Ausdrucke Kammerstyl bezeichnet. Die mehresten neuern Tonsetzer haben nicht für gut gefunden, diese Maxime ihrer Vorgänger beyzubehalten, sondern sie bedienen sich in der Oper eben so starker Ausarbeitungen der Stimmen, und eben solcher Schwierigkeiten für die Instrumente, wie in den Tonstücken für die Kammer; daher ist es heut zu Tage auch eine schwere Aufgabe, zwischen dem Theater- und Kammerstyle <822> eine Grenzlinie zu ziehen, oder von beyden einen bestimmten Unterscheidungs-Charakter anzugeben.

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