Koch: Musikalisches Lexikon

Retardation,

<1248> Aufhaltung und Zurückhaltung, ist eine Art der Verzierung des Gesanges, wobey die vorhergehenden melodischen Hauptnoten bis zum Anschlage der Harmonie der nachfolgenden zurück gehalten werden, wodurch der Anschlag dieser Hauptnoten gegen die dabey zum Grunde liegende Harmonie verrückt wird. Der Prozeß dieser Verrückung kann sowohl unter den Takttheilen, als auch unter den Taktgliedern und Taktnoten geschehen. Wird er mit Takttheilen gemacht, das heißt, wird eine in dem schlechten Takttheile vorhandene melodische Hauptnote den folgenden guten Takttheil hindurch aufgehalten, und dadurch die eigentliche Hauptnote in den schlechten Takttheil verdrängt, z.E. wenn der Satz bey Fig. 1 so wie bey Fig. 2 aufgehalten wird,

Notenbeispiel Sp. 1247/1248

<|> so entstehen diejenigen Dissonanzen, die von verschiedenen Tonlehrern zufällige genannt werden. In diesem <|> Falle sind diese Aufhaltungen gewissen Regeln unterworfen, und dürfen nur unter gewissen Umständen <1249> gebraucht werden; [FN: Siehe Accord, Dissonanz, und die Artikel aller dissonirenden Akkorde überhaupt] so ist es z.B. nicht erlaubt, sie unter diesen Umständen sprungweise zu setzen, <|> und den Satz bey Fig. 3 so aufzuhalten, wie bey Fig. 4.

Notenbeispiel Sp. 1249/1250, Nr. 1

<|> Bedient man sich aber solcher Aufhaltungen bey den Taktgliedern, oder bey Taktnoten,1 bey welchen die dadurch zum Vorscheine kommenden Dissonanzen nicht so merklich auf unser Gefühl wirken, so entstehet die Notenfigur, die man in dem engern Sinne des Wortes eine Retardation oder Aufhaltung nennet; z.B. wenn die melodischen Hauptnoten dieser Sätze

Notenbeispiel Sp. 1249, Nr. 2

<|> auf folgende Art aufgehalten werden:

Notenbeispiel Sp. 1250, Nr. 3

und in diesem Falle kann man sich dieser Aufhaltungen auch bey sprungweise sich fortbewegenden Noten bedienen, wie man aus folgendem Beyspiele siehet: <1251>

Notenbeispiel Sp. 1251

Diese eigentliche Retardation kömmt in solchen Arten der Rückungen oft mit der Anticipation vermischt vor; ein Beyspiel eines solchen Satzes, und dasjenige, was Anfänger im Satze besonders dabey zu bemerken haben, findet man in dem Artikel Vorausnahme.

Fußnoten:

Fußnote 1 (Sp. 1249/1250):

Taktglieder nennet man diejenigen Noten, die zum Vorscheine kommen, wenn die Takttheile in zwey Noten zergliedert werden. Wird hingegen ein solches Taktglied nochmals in Noten von geringerem Werthe aufgelöset, so entstehen diejenigen Theile des Taktes, die man Taktnoten nennet.

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