Koch: Musikalisches Lexikon

Zergliedern,

<1756> heißt eigentlich ein Ganzes in seine einzelnen Theile zerlegen. In der Musik braucht man diesen Ausdruck theils in der Kritik, wenn man die einzelnen Sätze, aus welchen ein Tonstück verbunden ist, für sich besonders, es geschehe nun in Rücksicht auf ihren Inhalt, oder auf ihre Form u.s.w. betrachtet, um nach der Beschaffenheit derselben das Ganze zu würdigen; theils bedient man sich dieses Ausdruckes bey der Bearbeitung eines Tonstückes als eines besondern Kunstwortes, und verstehet darunter das Verfahren, daß man einen Theil eines solchen melodischen Satzes, der zwar an sich selbst einen vollständigen Sinn bezeichnet, durch Versetzungen, durch andere Wendungen u.dergl. Hülfsmittel erweitert, und dadurch dem ganzen melodischen Theile mehr Bestimmtheit seines Inhaltes ertheilet. So enthält z.B. folgender Satz einen vollständigen Sinn:

Notenbeispiel Sp. 1755/1756

<1757> Werden nun bey der Wiederholung dieses Satzes die beyden Glieder, aus welchen er bestehet, durch Versetzungen und andere Wendungen <|> erweitert, und wird dadurch der Inhalt des Satzes noch näher bestimmt, z.E.

Notenbeispiel Sp. 1757/1758, Nr. 1

<|> so sagt man, der Tonsetzer habe den Satz zergliedert. Man wird daher von selbst einsehen, daß diese Zergliederung eines der vorzüglichsten Kunstmittel bey der Ausführung eines Tonstückes sey, wodurch nicht allein die Einheit des Ganzen erhalten, sondern auch der Inhalt jedes besondern Theils auf das genaueste bestimmt werden kann.

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