Kullak: Ästhetik des Klavierspiels - Kap. 3

S. 51 - Texterweiterung der 8. Auflage (1920)

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[Die Seitenzählung entspricht der 8. Auflage.]

<*45>Allerdings muss man zur rechten Würdigung dieses Hauptstückes [der Lehre vom Vortrage] immer daran denken, dass den älteren Musikern die "Affektenlehre", d.h. die Bestimmung des Vortrags aus dem geistigen Charakter des Stückes heraus in Fleisch und Blut übergegangen war, als etwas Selbstverständliches gefordert und praktisch angewandt wurde, so dass sich der Autor hier detaillierende Ausführungen wenigstens für die Praxis sparen konnte. Man wird sich hier erinnern, welches Gewicht noch Leop. Mozart in seiner prächtigen Violinschule (Augsburg 1770, Lotter) auf die Beobachtung der nicht leichten Kunst (S. 258) legt, den "richtigen Affekt zu finden"; denn: "man muss nicht nur alles Angemerkte und Vorgeschriebene genau beobachten ..., sondern man muss auch mit einer gewissen Empfindung spielen; man muss sich in den Affekt setzen, der auszudrücken ist ... Mit einem Worte (S. 260), man muss alles so spielen, dass man selbst davon gerührt wird." - Mechanische Geschicklichkeiten, Fertigkeit im Stegreifspielen, so führt Ph.E. Bach weiter aus, machen noch lange keinen echten Vortragskünstler aus. Ebenso fehlerhaft wie allzu grosse Geschwindigkeit und Feuer im Spiel ist allzu grosse Langsamkeit und hypochondrische Mattigkeit.

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