Aeltere Claviermusik. Ausgewählte Tonstücke für das Pianoforte von berühmten Meistern aus dem 17. und 18. Jahrhundert, gesammelt von C.F. Becker. [Kreisig 48]

<II, 197> In der Zeit, wo sich alle Blicke auf einen der größten Schöpfer aller Zeiten, J. Seb. Bach, mit verdoppelter Schärfe richten, mag es sich wohl schicken, auch auf dessen Zeitgenossen aufmerksam zu machen. Kann sich freilich, was Orgel- und Claviercomposition anlangt, Niemand seines Jahrhunderts mit ihm messen, ja will mir Alles andere, gegen seine ausgebildeten Riesengestalten gehalten, wie noch in der Kindheit begriffen erscheinen, so bieten einzelne Stimmen jener Zeit ihrer Gemüthlichkeit wegen noch Interessantes genug dar, als daß man sie ganz überhören dürfte. Die neuen Ausrufer alter Musik versehen es meistens darin, daß sie gerade das vorsuchen, worin unsere Vordern allerdings stark waren, was aber auch oft mit jedem andern Namen, als mit dem der "Musik" belegt werden muß, d.h. in allen Compositionsgattungen, die in die Fuge <II,198> und den Kanon gehören, und schaden sich und der guten Sache, wenn sie die innigeren, phantastischeren und musikalischeren Erzeugnisse jener Zeit als unbedeutender hintenansetzen. Die Sammlung, die vor uns liegt, vermeidet diesen Fehler und bringt uns eine Reihe freier, wirklicher Tonstücke, die in ihren naiven schmucklosen Wendungen auch noch eine andere als die Verstandesseite in Anspruch nehmen. Für das Interessanteste halten wir die Sätze von Couperin (+ 1733), Kuhnau (+ 1722) und G. Böhm (um 1680). Der von Couperin hat sogar einen provençalischen Anflug und zarte Melodie, während es Einem bei dem steifen Kuhnau'schen Adagio ordentlich schaurig wird; G. Böhm vollends setzt mit einer gespenstigen Caprice dem Ende die Krone auf. -

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