Etuden für das Pianoforte. [Kreisig 96]

[Auszug]

Theodor Kullak, 2 Concertetuden. 2tes Werk.

<IV,26> Der Componist, ein junger jedenfalls, kündigt sich mit den ersten Takten als ein mit dem neusten Clavierspiel vertrauter an. Die Etuden sind schwer und verraten überall namentlich Bekanntschaft mit Henselt's und Thalberg's Arbeiten. Dem Virtuosen gegenüber haben wir nichts gegen diese Richtung und Vorliebe. Dem Componisten aber, wenn er ein tüchtiger werden will, möchten wir davon abrathen. Im Gebiete der mechanischen Combinationen ist jetzt kaum mehr zu erreichen, als die Virtuosen der neuesten Zeit wirklich erreicht haben. Auf das Verschränken der Hände, ob es so oder so, auf die Akkordenmasse, ob sie etwas mehr oder weniger voll, darauf kommt jetzt nichts mehr an; wir haben darin in Henselt's, Liszt's, Thalberg's Arbeiten vollauf genug. Die Nachfolgenden müssen, wenn sie Bedeutung gewinnen wollen, den umgekehrten Weg einschlagen, den zur Einfachheit, zur schönen, ordnungsvollen <IV,27> Form, und daraus entwickele sich dann auch das Complizirte. Der Weg liegt klar vorgezeichnet. Wer ihn nicht sieht, wird umsonst arbeiten.

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