Sulzer: Theorie der Schönen Künste

Angemessen.

(Schöne Künste.)

<142 re> Das Zufällige in einer Sache, das mit dem Wesentlichen sehr genau überein kommt, und ihm dadurch eigen wird. Ein angemessener Ausdruk ist der, darinn alle Worte so gewählt werden, wie sie sich zum Wesen am genauesten schiken. Ein langsamer Ausdruck ist der langsamen Vorstellung angemessen; ein schneller der lebhaften. Niedrigen Wörter sind niedrige, und hohe erhabenen Vorstellungen angemessen. [...]

Es ist sehr wesentlich, daß sich jeder Künstler auf das Angemessene äußerst befleiße. Denn entweder ist das Zufällige so unbestimmt, daß es sich zu verschiedenen Sachen schikt; oder es ist gar der Sache unangemessen. In diesem letzten Falle ist es anstößig, weil es ungereimt ist: <143 li> im andern Falle aber vermißt man wenigstens den Reiz, der vom Angemessenen herkommt. Zwar werden Künstler von feinen Geschmake selten in den Fehler des Unangemessenen verfallen; aber das genau Angemessene erfodert große Scharfsinnigkeit und feines Gefühl. Eben darum aber giebt es den Werken des Geschmaks eine große Schönheit.

Man sieht bisweilen Menschen, bey denen alles Zufällige, ihre Figur, ihre Gesichtszüge, Gebehrden, jeder kleinste Anstand, so genau mit dem, was sie sind, übereinstimmen, daß man sie mit dem größten Vergnügen betrachtet. So muß in jedem vollkommen Werke der Kunst alles angemessen sein. Alsdenn wird man es immer mit neuem Vergnügen genießen. Denn der Geist wird nimmer gesättiget, seine Uebereinstimmungen zu bemerken.

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