Sulzer: Theorie der Schönen Künste

Fermate.

(Musik.)

<226 re>

<226 re> Ist in einer oder mehrern Stimmen eines Tonstücks eine Stelle, wo der Ton nach Belieben über die Geltung der Note angehalten, und mit verschiedenen Verzierungen gedehnt wird. Ueber die Note, worauf die Fermate fällt, wird dieses Zeichen [Fermate] gesetzt. Die Hauptstimme hält entweder den Ton blos an, oder macht Zierrathen, welche Singcadenzen genennt werden, auf derselben, binnen welcher Zeit die andern Stimmen entweder ganz inne halten, oder nur den Ton fortdauern lassen. Die verschiedenen Arten, wie der Sänger diese Fermate zu behandeln hat, findet man in Hrn. Agricolas Anmerkungen zu Tosis Singkunst angezeigt. [Agricola, Johann Friedrich: Anleitung zur Singekunst. Berlin 1757. Reprint: Celle 1966]

<227 li> Die Fermate dienet den Ausdruck starker Leidenschaften an den Stellen, wo sie aufs höchste gestiegen sind, auch bey der Verwunderung, wie eine Ausrufung, zu unterstützen. Sie unterbricht den Gesang, wie man etwa in starkem Affekt nach einer Ausrufung etwas mit der Rede innehält, um hernach heftiger wieder fortzufahren. Der Sänger muß auf der Fermate den Ton entweder mit gleicher Stärke aushalten, oder nach und nach verschwächen, oder verziehen, nachdem der Affekt es erfodert. Man sehe hierüber, was Quanz in seiner Anleitung zum Flötenspielen [Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung, die Flöte traversiere zu spielen. Berlin 1752. Reprint: Kassel 1997], und Bach in dem Versuch über die beste Art das Clavier zu spielen [Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Berlin 1753/62. Reprint: Kassel 1994], angemerkt haben.

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