Sulzer: Theorie der Schönen Künste

Marsch.

(Musik.)

<363re> Ein kleines Tonstük, das unter festlichen Aufzügen, vornehmlich unter den Zügen der Kriegsvölker, auf Blasinstrumenten gespielt wird. Der Zwek desselben ist ohne Zweifel, diejenigen, die den Zug machen, aufzumuntern, und ihnen auch die Beschwerlichkeit desselben zu erleichtern. [...]

<364re> [...] Zu dem Ende aber muß der Tonsetzer darauf denken, daß der Gesang und Gang des Marsches munter, muthig und kühn sey; nur wild, oder ungestüm darf er nicht seyn. Man wählet allezeit die harten Tonarten dazu, und gemeiniglich B, C, D, oder bE dur, wegen der Trompeten. Punktirte Noten, als: [Notenbeispiel] schiken sich gut dazu, weil sie etwas ermunterndes haben. Man setzet sie im 4/4 Takt, und kann im Aufschlag oder Niederschlag anfangen. Die Bewegung ist immer pathetisch, geschwinder, oder langsamer, nachdem der Zug schnell oder langsam gehen soll; denn auf jeden Takt fallen zwey Schritte, oder einer, wenn der Alla-Breve-Takt gewählt worden.

Der Gang muß einförmig, wol abgemessen und leicht fühlbar seyn. Das ganze Stück besteht insgemein aus zwey Theilen, davon der erste acht, der andre zwölf, oder wenn etwa in diesem Theil eine Ausweichung in die kleine Sexte des Haupttones geschieht, welches in Ansehung der Trompeten und Waldhörner angehet, mehr Takte hat. Die Einschnitte sind der Faßlichkeit halber bald von einem Takte, bald mit größern von zwey Takten untermenget. Dabey aber ist wol zu beobachten, daß die Einer paarweis auf einander folgen, damit der Rhythmus gerade bleibe. Von vier zu vier Takten muß der Einschnitt am fühlbaresten seyn.

Bey Märschen für die Reuterey, wo die Schritte nicht können angedeutet <365li> werden, ist auch diese genaue Abmessung der Einschnitte nicht nöthig; aber man sucht vornehmlich das Muthige und Trotzige, als den wesentlichen Charakter solcher Stüke, darin auf das vollkommenste zu erreichen.

Es giebt auch andre, nicht kriegerische Märsche, die bey festlichen Aufzügen, dergleichen die verschiedenen Handwerksesellschaften bisweilen anstellen, gebracuht werden, wobey es nicht nöthig ist, die gegebenen Regeln so genau zu beobachten. Sie können in allerley Taktarten gesetzt werden; nur muß der Ausdruk immer lebhaft und munter seyn.

Rousseau hat richtig angemerkt, daß man aus den Märschen noch lange nicht alle Vortheile ziehet, die man daraus ziehen könnte, wenn man für jede Gelegenheit, da sie gebraucht werden, in dem besondern Geist, den sie erfodert, den Marsch setzen würde.

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