Ein Italiener in Paris -
Vom Leben und Leiden des Giovanni Battista Lulli

Dieser Beitrag ist entstanden als Sendemanuskript
für den Süddeutschen Rundfunk, Stuttgart

Musik-Nr.: 01
Komponist: Jean Baptiste Lully
Werk-Titel: Armide
Auswahl: Ouverture <Track __.> 2:30
Interpreten: xx
Label: Erato (LC 0200)
STU 715 302
<Track __.> Gesamt-Zeit: 2:30

Die Geschichte klingt wie ein Märchen - gleichsam eine barocke Variante jenes amerikanischen Traums vom Auswanderer, der als Tellerwäscher anfängt und zum Millionär aufsteigt. Ereignet hat sich diese Geschichte im Paris des 17. Jahrhunderts. Es war 1646, als die junge Madmoiselle Montpensier ihren Onkel, den Chevalier de Guise, bat, er möge ihr aus Florenz jemanden mitbringen, mit dem sie auf Italienisch parlieren könne. Chevalier De Guise war ein überaus praktisch veranlagter Mann und hielt nicht viel von gescheit daherredenden humanistischen Hauslehrern. Also sah er sich nach etwas Handfesterem für seine Nichte um - mit dem Ergebnis, daß es den gerade 14jährigen Giovanni Battista Lúlli, wie er sich damals noch nannte, Sohn eines einfachen Müllers, nach Paris verschlug - als Küchengehilfe und Kammerdiener im Hause De Guise mit einem Jahresgehalt von 150 Livres.

Aber der ehrgeizige Giovanbattista Lúlli hatte Größeres im Sinn. Er übte sich auf der Geige und im Lautenspiel, und bald schon stieg er auf vom Bediensteten der Madmoiselle Montpensier zum Vortänzer im königlichen Ballett. Ludwig XIV., der Sonnenkönig, war so angetan von diesem begabten Italiener, daß er ihn 1653 zum "Compositeur de la musique instrumentale du Roi" ernannte - was letztlich nichts anderes bedeutete, als daß Lulli von nun an für die Ballette des Sonnenkönigs regelmäßig einige eingängige Tanzsätze zu schreiben hatte.

Musik-Nr.: 02
Komponist: Jean Baptiste Lully
Werk-Titel: Les Plaisirs de l'ile enchantee
Auswahl: 2ième journee - La princesse d'Elide <Track 2.> 7:35
Interpreten: xx
Label: Erato (LC 0200)
2292-45286-2
<Track 2.> Gesamt-Zeit: 7:35

Der Aufstieg des Giovanni Battista Lúlli war nicht zu bremsen: in all den Jahren keine Niederlage, kein künstlerischer Mißerfolg. Als "Compositeur de la musique instrumentale du Roi" leitete er seit 1656 das Elite-Ensemble der "petit violons" - ein kleines, 16 Mann starkes Streichorchester, das wegen der Qualität der Aufführungen bald schon weit über die Grenzen Frankreichs gerühmt wurde. Aber dies war erst der Anfang seiner Karriere. 1661 stieg er auf zum "Intendanten der Hofmusik Ludwigs XIV." und zum "Musikmeister der königlichen Familie" und erlangte somit weitgehende Kontrolle über das höfische Musikleben.

In demselben Jahr 1661 wurde aus dem Bürger ein Edelmann - der italienische Müllers-Sohn avancierte kraft königlicher Gnade zum Franzosen Jean Baptiste de Lully - wie Lulli selbst in der Naturalisierungs Urkunde angab:"von adliger Abstammung, Sohn des Florentiner Esquire Lorenzo di Lulli".

Musik-Nr.: 03
Komponist: Jean Baptiste Lully
Werk-Titel: Le bourgeois gentilhomme
Auswahl: Ouvertüre;
Air. L'eleve de Musique;
Air. La Musicienne.
<CD 1, Tr. 1.>
<CD 1, Tr. 2.>
<CD 1, Tr. 3.>
__:__
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Interpreten: xx
Label: dhm (LC 0761)
GD 77 059
<CD 1, Tr. 1.2.3.> Gesamt-Zeit: 7:10

"Der Bürger als Edelmann": diese musikalische Komödie mit Ballett-Einlagen aus der Feder Molieres mit der Musik von Lully handelt von einem gesellschaftlichen Aufsteiger, der glaubt, er könne sich mit Geld alles kaufen - Adelsprädikate und den guten Geschmack der Aristokraten. Die Kritiker und Feinde Lullys (und von ihnen gab es mittlerweile eine ganze Reihe) wiesen auf die boshaften Zwischentöne des Textes hin: daß Moliere mit dem ehrgeizigen Bürger Jourdain ein boshaftes Portrait Lullys habe liefern wollen, ohne daß dieser es gemerkt habe. Ganz so falsch scheint diese Vermutung nicht gewesen sein; zumindest kühlte sich das kollegiale Verhältnis zwischen Komponist und Dichter in den folgenden Monaten merklich ab.

Dem Selbstbewußtsein Lullys taten diese üblen Nachreden indes keinen Abbruch. Als Protege des französischen Königs wußte er sich auf der Sonnenseite des Hofstaats. Mochten die anderen über ihn lästern - Lully wußte schon, welche Wege und Intrigen er einschlagen mußte, um ans Ziel zu gelangen.

Die Herrschaft über die königliche Instrumentalmusik hatte er bereits erlangt. Nun galt es, die übrigen musikalischen Rivalen auszuschalten, allen voran die italienischen Operntruppen, die sich zu einer unliebsamen Konkurrenz zu seinen eigenen dramatischen Balletten entwickelt hatten. Schon 1660 hatte Lully erfolgreich gegen seinen Kollegen Francesco Cavalli intrigiert, der in Mazarins Auftrag eine Hochzeitsoper schreiben sollte, und 1667 setzte er es durch, daß alle italienischen Musiker des Landes verwiesen wurden - wie es in dem königlichen Erlaß heißt: wegen "der enormen Kosten, die die ausländischen Sänger und die aufwendigen Bühnenmaschinerien verursachen."

Als Lully wenige Jahre später sich selbst im Operngeschäft engagierte, war von "enormen Kosten" dann keine Rede mehr. 1671 verlieh Ludwig XIV. seinem "treuen und lieben Freund Jean-Baptiste sowie dessen Erben" das berühmte "Opernpatent" für die "königliche Akadmie der Musik". Von nun an durfte in Frankreich keine "Bühnenhandlung mit Musik" mehr aufgeführt werden, es sei denn, Lully gab schriftlich seine Erlaubnis. Einige Jahre später ließ er sogar das Singen und Musizieren in Marionettentheatern verbieten.

Die Zusammenarbeit mit Moliere kündigte Lully kurzerhand auf. Er konnte keinen Dichter gebrauchen, dessen Texte auch ohne Musik literarisch-dramatische Qualitäten besaßen. Besser geeignet war da schon Philippe Quinault, der, ohne zu murren, seine Libretti bis zu 20mal änderte, bis sie dem Herrn Compositeur gefielen.

Anders als Moliere suchte Quinault seine Stoffe in der griechischen Mythologie und in den Ritterromanen des Mittelalters und der Renaissance. Wichtig war in allen Fällen das Moment des Wunderbaren: Götter, die allenthalben vom Himmel schweben, phantastische Bühnenverwandlungen oder unheimliche Geisterbeschwörungen wie in der "Armide" von 1686.

Musik-Nr.: 04
Komponist: Jean Baptiste Lully
Werk-Titel: Armide
Auswahl: 2. Akt, Szene 3 und 4:
(bis "Qu'il faut donner les beaux jours.")
<LP 1B.> 6:35
Interpreten: xx
Label: Erato (LC 0200)
STU 715 302
<LP 1B.> Gesamt-Zeit: 6:35
Technik: LP 1B einblenden ab 17:55c

Als Musiker war Lully sicherlich genial - aber als Mensch erwies er sich regelmäßig als Ekel. Sein Jähzorn war unter den Musikern gefürchtet - vor allem in der alltäglichen Probenarbeit: Den Geigern zerschlug er ihre Instrumente, wenn sie falsch spielten, und die Sängerinnen, die es an der nötigen Sittsamkeit fehlen ließen oder gar schwanger waren, setzte er kurzerhand auf die Straße. Wohingegen ein Zeitgenosse lobend anmerkt:

Unter Lullys Leitung hat endlich diese Unsitte ein Ende genommen, daâ die Sängerinnen (wie früher üblich) sechs Monate im Jahr erkältet sind oder die Sänger betrunken zu den Proben erscheinen. Er besitzt eine groâe Autorität unter unseren Musikern, zunächst vermöge seines Talents und seiner Ämter, dann aber auch wegen seines Reichtums und der Gunst, die er beim König besitzt. Gewiâ soupiert er mit seinen Sängern in aller Freundschaft, aber noch nie hatte er eine Geliebte unter den Damen des Theaters.

So ungewöhnlich wie sein Leben war dann auch Lullys Tod - gleichsam der Heldentod eines Musikers (wie man es wohl bezeichnen muâ). Beim Dirigieren seines "Te Deums" im Januar 1687 zertrümmerte er sich mit dem schweren Tambourstab, mit dem er den Takt schlug, den Fuß und starb einige Tage darauf an unsachgemäß behandeltem Wundbrand. Wenigstens brauchten seine Frau und seine Kinder keine Not zu leiden. Lully hinterließ etliche Landsitze sowie fünf Häuser in den vornehmsten Vierteln von Paris; sein Barvermögen belief sich auf 800.000 Livres, und in seiner Wohnung fanden die Nachlaßverwalter 85 Säcke voller Louis d'ors und spanischer Dublonen, Silberzeug, Diamanten und sonstiger Edelsteine.

Musik-Nr.: 05
Komponist: Jean Baptiste Lully
Werk-Titel: Te Deum (Ausschnitt). <CD 2, Tr. 10.> 8:25
Interpreten: xx
Label: CBS (LC 0149)
46 464
<CD 2, Tr. 10.> Gesamt-Zeit: 8:25
Technik: einblenden bei Tr. 10. - 11:39c
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