Diabolus in musica -
Teuflische Opernszenen

Dieser Beitrag ist entstanden als Sendemanuskript
für den Deutschlandfunk, Köln

Musik-Nr.: 01
Komponist: Johann Wolfgang von Goethe
Werk-Titel: Faust. Der Tragödie erster Teil
Auswahl: Szene Studierzimmer (II)
von: "Ich bin der Geist, der stets verneint"
bis: "... mein eigentliches Element."
<Track __.> 0:22
Interpreten: Gustav Gründgens (Mephisto)
Label: DGG (LC 0173)
____
<Track __.> Gesamt-Zeit: 0:22
Archiv-Nummer: ____
 
Musik-Nr.: 02
Komponist: Arrigo Boito
Werk-Titel: Mefistofele
Auswahl: 1. Akt, 2. Szene:
von: "Son lo spirito che nega"
bis: "... fischio!"
<CD 1, Track 12.> 3:22
Interpreten: Norman Treigle (Mefistofele)
London Symphony Orchestra
Ltg.: Julius Rudel
Label: CBS (LC 0542)
CDS 7 49522 2
<CD 1, Track 12.> Gesamt-Zeit: 3:22
Archiv-Nummer: ____
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So also klingt der Geist, der stets verneint, auf italienisch. Sie hörten einen Ausschnitt aus Arrigo Boitos Oper #Mefistofele# mit Norman Treigle und dem London Symphony Orchestra unter Leitung von Julius Rudel.

Verweilen wir noch ein wenig bei dem gelahrten Doktor Johann Faust aus Heidelberg und seinem Pakt mit den teuflischen Mächten. Es ist ein Teufelspakt, wie ihn die berüchtigten Hexenjäger und Inquisitoren nicht schauerlicher hätten ausmalen können. Mephisto verspricht Faust die Glückseligkeit auf Erden: Jugend, Ansehen und Erfolg bei den Frauen; der Preis: Faustens Seele. - Ein Vertrag, eingehüllt in Schwefeldampf, unterschrieben mit Blut.

Indes - was wäre ein solcher Teufelspakt ohne den Besuch der Walpurgisnacht auf dem Blocksberg? Wie es hierbei zugeht, darüber weiß der Dämonen-Forscher Johannes Praetorius im Jahre 1668 Folgendes zu berichten:

Dieser Hexensabbat erinnert an einen Jahrmarkt, auf dem sich alle Verehrer des Teufels versammeln, eine Menge von sicherlich hunderttausend Männer und Frauen. Sie kommen daher auf Böcken oder großen Hunden reitend oder auf Reisigbesen durch die Luft jagend. Der Sabbat dauert von Mitternacht bis zum Hahnenschrei. Zunächst berichtet eine jede Hexe, was sie seit dem letzten Konvent Teuflisches verrichtet hat: Man erfährt, wie sie ihren Spott mit dem Weihwasser und den Zeremonien der Kirche treiben; wie sie Unwetter und Feursbrünste über die Menschen schicken, mit Hagel und Raupenplagen die Ernte verderben und den Bauern das Vieh verhexen, daß es keine Milch mehr gibt.

Was aber das Allerteuflischste ist: wenn sie einander rühmen, wie sie mit dem Teufel des Nachts Buhlschaft gehalten und auch andere Personen zum Ehebruch verleitet haben. Diejenigen, die die abscheulichsten Laster begangen haben, erhalten vom Teufel einen Kuß. Er brennt ihnen das Kainsmal seiner Zuneigung auf's Gesäß und verspricht ihnen ein Leben in Wollust und Begierde. Die weniger Eifrigen aber werden ausgepeitscht und auch sonsten gar übel traktiert. Hierauf setzt man sich an gedeckten Tafeln nieder und verzehrt die Speisen, die der Teufel höchstselbst zubereitet hat. Diese Speisen aber sind verdorben; sie riechen faulig und eklig und munden nur denen, die ihre Seele der Hölle verschrieben haben. Man tanzt und küßt sich und singt unflätige Lieder. Wenn auch diese Lustbarkeiten erschöpft sind und es Zeit zu schlafen ist, geht ein jeder mit seinem Teufelsbuhlen zu Bette.

Soweit unser Gewährsmann Johannes Praetorius in seinem ausführlichen geographischen Bericht von dem hohen, trefflich alt und berühmten Blockes-Berge aus dem Jahre 1668. Herr Geheimrat von Goethe hat dieses Buch - wie er einmal selbst zugibt - "mit Genuß und Ergötzen gelesen", und er hat sich auch eifrig daraus bedient, als er seinen Doktor Faust zur Walpurgisnacht reisen läßt. Was bei Praetorius und Goethe noch mittelalterlich-derb und bisweilen recht unappetitlich anmutet, das gerät dann dem französischen Komponisten Charles Gounod zu einem schwelgerisch dekadenten Tableau, wie es das Pariser Opernpublikum liebte: eine Orgie, parfümiert mit Balletteinlagen und lasziven Melodien.

Musik-Nr.: 03
Komponist: Charles Gounod
Werk-Titel: Margarete
Auswahl: 5. Akt, Nr. 27-29 (Walpurgisnacht):
von: "Dans les bruyères"
bis: "Viens, je le veux!"
<CD 3, Track 5.6.7.> 11:15
Interpreten: Francisco Araiza (Faust)
Evgeny Nesterenko (Méphistophélès)
Chor und Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Ltg.: Sir Colin Davis.
Label: Dec (LC 0305)
420 164-2
<CD 3, Track 5.6.7.> Gesamt-Zeit: 11:15
Archiv-Nummer: ____
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Über das Ende des Doktor Faust gibt es verschiedene Versionen. Johannes Gast, ein protestantischer Pfarrer aus Basel, schreibt im Jahre 1548:

Er hatte immer einen Hund und ein Pferd bei sich, die - wie ich glaube - Teufel waren, da sie alles nach seinen Wünschen verrichten konnten. Indes haben sie ihn wohl auch gerichtet. Denn er endete auf schreckliche Weise. Eines Nachts ist in der Gaststube ein großes Getümmel gewesen, und als der Wirt in die Schlafkammer gegangen, darinnen der Dokor Faust gelegen, da fand man ihn tot neben dem Bette. Die Teufel hatten Fausten erwürgt, seinen Körper auf Scheußlichste zerfleischt und schließlich sein Gesicht auf den Rücken gedreht. - Der Herr bewahre uns gnädig davor, daß wir jemals Sklaven der Hölle werden!

Ein solches Schicksal mochte Geheimrat Goethe seinem Helden allerdings nicht antun - weswegen auch? Nur, weil er das keusche und tugendsame Gretchen verführt hatte? Auch die Komponisten des 19. Jahrhunderts zogen, wohl mit Rücksicht auf das zart besaitete Opernpublikum, meist ein "appetitlicheres" Ende vor - ohne Blutvergießen. Hector Berlioz etwa komponierte eine veritable Höllenfahrt; er jagt den zauberkundigen Doktor geradewegs zum Teufel, vorbei an einigen entsetzten Zeitgenossen, die am Wegesrand stehen und mit Müh' und Not noch ein paar Fürbitten stammeln können. Die boshafte Ironie des Komponisten: daß Faust bis zum letzten Augeblick glaubt, er sei mit Mephisto unterwegs, seiner geliebten Margarete zu Hilfe zu eilen. Bis er dann unter dem Freudengeheul der versammelten Teufel in der Hölle empfangen wird.

Musik-Nr.: 04
Komponist: Hector Berlioz
Werk-Titel: La Damnation de Faust
Auswahl: 18. und 19. Szene:
von: "Dans mon coeur retentit sa voix"
bis: "Irimirukarabrao!"
<CD 2, Track 14.>
<CD 2, Track 15.>
3:31
3:44
Interpreten: Stuart Burrows (Faust)
Donald McIntyre (Méphistophélès)
Tanglewood Festival Choir
Boston Boy's Choir
Boston Symphony Orchestra
Ltg.: Seiji Ozawa
Label: DGG (LC 0173)
423 907-2
<CD 2, Track 14.15.> Gesamt-Zeit: 7:15
Archiv-Nummer: ____
Technik: ausblenden bei <CD 2, Track 15.> 3:44
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Berlioz hatte kein sonderliches Glück mit dieser Komposition. Es scheint, als habe der Teufel damals nicht nur im Sujet, sondern auch in der Aufführung gesteckt. In seinen Memoiren schreibt Berlioz 1859:

Das Werk geschrieben zu haben, genügte nicht; ich mußte es aufführen. Und da begannen für mich die Enttäuschungen und Widerwärtigkeiten. Das Abschreiben der Orchester- und Singstimmen kostete mich ein Vermögen, wozu noch die zahlreichen Proben und die Miete von sechzehnhundert Francs für die Opéra-Comique kamen.

Die Aufführungen wurden dann zu einem schrecklichen Debakel: Es regnete in jenen Tagen ohne Unterlaß, so daß man kaum vor die Türe treten mochte. Und die Sänger, die ich engagiert hatte, waren - was ich zu spät erfahren hatte - beim Publikum derzeit nicht gefragt. Die Folge war, daß ich meinen Faust zweimal vor einem halbgefüllten Saal geben mußte. Nichts hat mich in meiner Künstlerlaufbahn so tief gekränkt wie die Gleichgültigkeit des Pariser Publikums, das zu Hause blieb und mich behandelte wie einen unbekannten Schüler am Konservatorium. Aber das wird nicht mehr vorkommen, daß ich in dieses Publikum auch nur zwanzig Francs investiere, und sollte ich hundert Jahre alt werden.

Es scheint, als ließe der Teufel nicht mit sich spaßen - auch nicht auf der Opernbühne. Denn ein ähnliches Schicksal hätte dreißig Jahre zuvor, 1821, beinahe auch den "Freischütz" ereilt. Und das, obwohl Carl Maria von Weber dem Teufel und den übrigen höllischen Mächten eine tragende Rolle zugedacht hatte. Zunächst verlief alles nach Plan:
Musik-Nr.: 05
Komponist: Carl Maria von Weber
Werk-Titel: Der Freischütz
Auswahl: 2. Aufzug, 4. Auftritt (Anfang):
von: "Milch des Mondes fiel aufs Kraut!"
bis: "Morgen er oder du!"
<CD 2, Track 1.> 5:40
Interpreten: Theo Adam (Kaspar)
Gerhard Paul (Samiel)
Rundfunkchor Leipzig
Staatskapelle Dresden
Ltg.: Carlos Kleiber
Label: DGG (LC 0173)
415 432-2
<CD 2, Track 1.> Gesamt-Zeit: 5:40
Archiv-Nummer: ____
Technik: ausblenden bis <CD 2, Track 1.> 5:40
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In der Generalprobe dann häuften sich die Pannen - in einem solchen Maße, daß auch heutzutage noch jeden Regisseur das kalte Grausen überkäme.

Die Probe ließ sich wenig verheißungsvoll an. Der technische Apparat versagte vollkommen, vor allem in der bedrohlichen Wolfsschlucht-Szene. Die riesenhafte Eule, die ihre Flügel bewegen sollte, konnte den einen nicht von der Stelle bringen; die leuchtenden Augen des düsteren Nachtvogels sahen aus wie ein paar klägliche Straßenlaternen; und der Feuerwagen war so schlecht gebaut, daß das Feuerwerk gänzlich ausblieb und ein leeres Rad mit allerlei Anhängseln in albernster Weise über die Bühne rollte. Die wilde Jagd, die sich aus dem beim Kugelgießen aufsteigenden Rauch entwickeln sollte, blieb unsichtbar; und zu allem Überfluß rief Kaspar im Eifer seine unheilvolle "Sieben" noch zu früh, so daß die ganze Schlußwirkung des teuflischen Chores verpuffte.

Musik-Nr.: 06
Komponist: Carl Maria von Weber
Werk-Titel: Der Freischütz
Auswahl: 2. Aufzug, 4. Auftritt:
von: "Schütze, der im Dunkeln wacht!"
bis: "Hier bin ich!"
<CD 2, Track 1.> 4:30
Interpreten: Theo Adam (Kaspar)
Hans Jörn Weber (Max)
Gerhard Paul (Samiel)
Rundfunkchor Leipzig
Staatskapelle Dresden
Ltg.: Carlos Kleiber
Label: DGG (LC 0173)
415 432-2
<CD 2, Track 1.> Gesamt-Zeit: 4:30
Archiv-Nummer: ____
Technik: einblenden bei <CD 2, Track 1.> 11:58
ausblenden bis <CD 2, Track 1.> 16:27 (Track-Ende)
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Wer da glaubt, daß die Erde bloß von einer Handvoll Teufel bevölkert ist, daß es vielleicht sogar nur einen einzigen Teufel gibt, der mal unter dem Pseudonym "Satan", "Mephisto" oder "Samiel" sein Unwesen treibt, der irrt. Daß die Welt voller Teufel ist, vermutete schon der berühmte König Salomon, der - wenn man den arabischen Chronisten Glauben schenken darf - über ausgezeichnete Beziehungen zur Unterwelt verfügte. Weil Salomon ihre Zahl genau wissen wollte, ließ er eine riesige Flasche bauen, in der eine wunderschöne Pfeife lag. Die Teufel, fasziniert von diesem Kleinod, kamen herbeigelaufen; und als sie alle in der Flasche versammelt waren, verschloß Salomon die Öffnung und konnte sie in aller Ruhe zählen: 6.666 sollen es gewesen sein. Warum er die Teufel dann allerdings wieder freiließ, das verschweigen die Berichte.

In den darauf folgenden Jahrhunderten müssen sich die teuflischen Heerscharen beträchtlich vermehrt haben: ein Bischof aus Tuscolo kam im zwölften Jahrhundert zu dem Ergebnis, daß es 133.306.688 Teufel auf der Welt geben müsse. Wohingegen im Jahre 1565 ein Fachmann für teuflische Angelegenheiten, der Arzt Johann Weyer, nur noch von lediglich 7.409.127 Exemplaren zu berichten wußte, aufgeteilt in 79 Fürstentümer.

Zu den wichtigsten Vertretern dieser teuflischen Hierarchie gehören Adrammelech, der Großkanzler der Hölle, der auch des Satans Garderobe beaufsichtigt, des weiteren der Mundschenk Behemoth, Teufel der Naschhaftigkeit, der aus Opernführern einschlägig bekannte Samiel als Schutzpatron der Wilddiebe und des Jagdfrevels, sowie Asmodi, der Oberaufseher der Spielhöllen.

Selbst Martin Luther glaubte noch, daß der Teufel sich im Laufe der Jahrhunderte ein riesiges Reich erschaffen habe mit mächtigen Teufels-Fürsten und niederen Gesinde-Teufeln, so daß jedes Fleckchen Erde unter diese Höllenbrut aufgeteilt ist:

Ein jeglich' Land hat seinen Land-Teufel, eine jegliche Stadt ihren Stadt-Teufel, jeder Herrenhof seinen Hof-Teufel. Selbst die Nationen haben ihren eigenen Dämon: Italien hat seinen, und auch Frankreich hat seinen. Unser deutscher Teufel heißt wohl "Sauff", und er wird ein wahrer Weinschlauch oder ein wahres Bierfaß sein. Denn dieser Sauf-Teufel treibet uns Deutsche Tag und Nacht in die Schänken und Wirtshäuser und lässet uns keine Ruh', es sei denn, wir sind voll und toll.

Wenn es nur der Sauf-Teufel wäre, der die Moral des deutschen Christenmenschen gefährden würde! Doch meist gesellt sich ihm noch Asmodi, der Spielteufel, hinzu,

welcher uns fein lustig zum Spiel macht, daß uns das Herz im Leibe lacht, wenn wir von Karten und Würfeln hören. Ja, er lehret uns auch, falsch zu spielen, die Blätter zu zinken und zu zeichnen, auf daß wir wissen mögen, was andere in der Faust haben.

Wobei der Teufel selbst allerdings der größte Falschspieler ist; mit dem Ergebnis, daß in der Hölle keine Seele mehr, auch nicht die leidenschaftlichste Spielernatur, bereit ist, sich mit ihm an einen Tisch zu setzen. Während man sich auf Erden in Kneipen und mit Würfelspiel vergnügt, herrscht da unten eine höllischen Langeweile; und Patiencen Legen ist für einen vergnügungssüchtigen Teufel nicht unbedingt der amüsanteste Zeitvertreib. So ist ihm jede Abwechslung willkommen, und sei es bloß der Dudelsackspieler Schwanda, den es in die Hölle verschlagen hat, weil er leichtsinnigerweise seine Frau belogen hat.

Hören Sie zum Abschluß aus Jaromir Weinbergers Oper Schwanda, der Dudelsackpfeifer die Unterhaltung zwischen Schwanda und dem Teufel. Es singen Hermann Prey und Siegmund Nimsgern. Das Münchner Rundfunkorchester spielt unter Leitung von Heinz Wallberg.

Musik-Nr.: 07
Komponist: Jaromir Weinberger
Werk-Titel: Schwanda, der Dudelsackpfeifer
Auswahl: 2. Akt, 1. Szene:
bis: "... ich spiel dir nicht!"
<CD 2, Track 8.>
<CD 2, Track 9.>
5:24
2:30
Interpreten: Hermann Prey (Schwanda)
Siegmund Nimsgern (Teufel)
Münchner Rundfunkorchester
Ltg.: Heinz Wallberg.
Label: CBS (LC 0149)
2K 79344
<CD 2, Track 8.9.> Gesamt-Zeit: 7:55
Archiv-Nummer: ____
Technik: ausblenden bei <CD 2, Track 9.> 2:30
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