Der Pianist Julius Katchen

Dieser Beitrag ist entstanden als Sendemanuskript
für den Deutschlandfunk, Köln
(Sendung: "Historische Aufnahmen")

Musik-Nr.: 01
Komponist: Johannes Brahms
Werk-Titel: Ungarischer Tanz Nr. 7, F-Dur
Interpreten: Julius Katchen (Klavier)
Label: Dec (LC 0171)
430 053
<CD 6, Tr. 10.> Gesamt-Zeit: 1:25
Archiv-Nummer: ____

Wie kurzlebig der Ruhm des Musikers doch ist! Heute von den Kritikern noch hochgepriesen, gerät der Interpret, kaum daß er sich vom Konzertpodium verabschiedet hat, in Vergessenheit; sogenannte "Jahrhundert-Aufnahmen" verschwinden aus den Schallplatten-Katalogen, bis schließlich nur noch eine kleine Schar Eingeweihter sich erinnert. Der Musikmarkt verlangt es so: Wichtiger als die bleibende Qualität ist die augenblickliche Sensation - und da können die Toten nicht mithalten.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie der amerikanische Pianist Julius Katchen heute, im Alter von 66 Jahren spielen würde, in welche Richtung sein Klavierspiel sich entwickelt hätte, und ob seine Auffassung von Brahms heute noch dieselbe Gültigkeit hätte. Als er 1968, gerade 42-jährig, an Krebs starb, würdigten ihn die Nachrufe in den Feuilletons als den großen Brahms-Interpreten der Gegenwart. Und in der Tat war er der erste, der dem Publikum nicht nur die Highlights aus Brahms' Oeuvre präsentierte, sondern (ähnlich wie bei Beethoven) das Brahms'sche Klavierschaffen als einen geschlossenen Kosmos verstand - von der C-Dur-Sonate op. 1 bis hin zu den späten Klavierstücken op. 118 und 119.

Musik-Nr.: 02
Komponist: Johannes Brahms
Werk-Titel: Klavierstücke op. 118
Auswahl: Nr. 3 (Ballade g-moll)
Nr. 4 (Intermezzo f-moll)
<CD 5, Tr. 11.>
<CD 5, Tr. 12.>
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Interpreten: Julius Katchen (Klavier)
Label: Dec (LC 0171)
430 053
<CD 5, Tr. 11.12.> Gesamt-Zeit: 5:35
Archiv-Nummer: ____

Wohl kaum ein Pianist hat bislang die Vielschichtigkeit von Brahms' Musik so überzeugend darzustellen vermocht: Wie Katchen das virtuose Moment ausspielt, ohne sich selbst dabei in den Vordergrund zu drängen oder Zugeständnisse an die technischen Herausforderungen machen zu müssen, so vermag er es auch, in den lyrischen Stücken eindrucksvolle Stimmungsbilder zu zeichnen - von "lieblich" bis "melancholisch verhangen" und gleitet dabei doch nie in übertriebene Sentimentalität ab.

Seine erste musikalische Ausbildung hatte Julius Katchen bei seinen Großeltern erhalten. Die Großmutter drillte ihn mit Czerny- und Clementi-Etüden, während der Großvater ihm Harmonielehre, Kontrapunkt, Komposition und solide Grundlagen im Violinspiel beibrachte. Als Elfjähriger gab er sein Debüt als Solist von Mozarts d-moll-Konzert mit dem Philadelphia Orchestra unter Eugene Ormandy.

Die Wunderkind-Laufbahn schien vorgezeichnet, aber die Eltern dachten da anders, zumal ihr Sohn noch andere Begabungen und Interessen hatte. So absolvierte Julius Katchen zunächst einmal die reguläre Schullaufbahn, studierte Philosophie und französische Sprache und erhielt wenige Monate nach Ende des Zweiten Weltkriegs wegen seiner herausragenden akademischen Leistungen von der französischen Regierung ein Stipendium für die Sorbonne in Paris.

1946 traf er als Philosophie-Student in Paris ein, aber schon kurze Zeit später hatte er die Konzertagenten von seinen pianistischen Fähigkeiten überzeugt, so daß sie ihn beim großen UNESCO-Festival siebenmal mit dem Konservatoriums-Orchester und dem französischen Nationalorchester auftreten ließen. Es war der Beginn einer Karriere, die ihn in kürzester Zeit mehrmals rund um die Welt führte.

Damals erlegte Julius Katchen sich noch keinerlei Beschränkung hinsichtlich des Repertoires auf. Auf seinen Konzert-Tourneen spielte er Bach ebenso wie Mozart, Beethoven und die Romantiker, und auch das 20. Jahrhundert ließ er nicht aus.

Ende der 50er Jahre dann keimte in ihm das Bedürfnis, seine Kräfte zu konzentrieren - sich nicht zu verzetteln; und fast scheint es, als habe er zu jenem Zeitpunkt schon geahnt, daß ihm nicht mehr allzuviel Zeit beschieden sein würde. Die Schallplatten-Agenten hätten gerne eine Einspielung der Beethoven-Sonaten mit ihm produziert. Aber Katchen überzeugte die Herren dann doch, daß es künstlerisch sinnvoller sei, sich auf weniger populäres Terrain zu begeben - und im Falle Brahms gab es noch manches nachzuholen.

Musik-Nr.: 03
Komponist: Johannes Brahms
Werk-Titel: Ballade op. 10,1 d-moll ("Edward-Ballade")
Interpreten: Julius Katchen (Klavier)
Label: Dec (LC 0171)
430 053
<CD 1, Tr. 4.> Gesamt-Zeit: 4:55
Archiv-Nummer: ____

Die großen Werke der Klavierliteratur auf Schallplatte einzuspielen und sie öffentlich im Konzert vorzutragen, sind zweierlei Dinge; und nicht jeder Pianist, der im Aufnahme-Studio brilliert, vermag auch auf dem Podium zu überzeugen. Julius Katchen hatte damit keine Probleme: Die Abgeschiedenheit in den Schallplatten-Studios konnte ihn ebenso inspirieren wie der Applaus in einem ausverkauften Konzertsaal.

Aber es gibt noch etwas anderes, was Katchens Studio-Produktionen über das Gros anderer Aufnahmen heraushebt. Da er die technische Manipulation haßte und das Zusammenkleben kleinster Band-Schnippsel, bis schließlich kein falscher Ton mehr zu hören ist, spielte er die Stücke (bis auf wenige Ausnahmen) immer wieder als Ganzes ein, bis es eine Fassung gab, die ihn zufrieden stellte. Zuvor aber probte und "testete" er etwa seine Brahms-Einspielungen regelrecht vor Publikum. In Berlin, London, New York, Amsterdam, Wien und Paris spielte er das gesamte Brahmssche Soloklavierschaffen in einem Zyklus von vier Konzerten - eine Leistung, die an die körperlichen und intellektuellen Grenzen reicht. Glaubt man den Pressestimmen, so gab es keinen Moment, wo die interpretatorische Spannung nachgelassen hätte. Und selbst in den gefürchteten Brahms'schen "Paganini-Variationen" wußte Katchen sich von Variation zu Variation immer noch zu steigern. - Hier nun zum Abschluß den ersten Teil der "Paganini-Variationen" in der Studio-Produktion von 1965.

Musik-Nr.: 04
Komponist: Johannes Brahms
Werk-Titel: Variationen über ein Thema von Paganini, Heft 1
Auswahl: xx <Track xx.> __:__
Interpreten: Julius Katchen (Klavier)
Label: Dec (LC 0171)
430 053
<CD 1, Tr. 1.> Gesamt-Zeit: 11:25
Archiv-Nummer: ____
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