Czerny: Pianoforte-Schule ... op. 500,III

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Kap. 12 [3. Teil]

<66> § 5. Das Charakteristische jeder Fuge ist das öftere Wiederhohlen des Thema in den verschiedenen Stimmen. Es ist demnach nothwendig, dass dieses Thema stets besonders deutlich markirt hervortrete und sich unter den andern Stimmen auszeichne. Der Nachdruck, welchen man gleich beim Anfang den einzelnen Noten des Thema gab, muss denselben in der Folge jedesmal gegeben werden, während die begleitenden Stimmen zwar deutlich, aber mehr eintönig fortzuschreiten haben.

§ 6. Der Ausdruck des modernen Spiels lässt sich bei strengen Fugen nicht wohl anwenden. Jedoch kann man auf dem Fortepiano das Forte, das Piano, so wie das crescendo und diminuendo auch bei den alten, für die Orgel geschriebenen Fugen dergestalt anbringen, dass der Anfang, wenn er piano begonnen wird, crescendo bis zur dritten oder vierten Wiederhohlung des Thema fortschreite, worauf in jenen Stellen, wo das Thema nicht vorhanden ist, das Forte wieder diminuendo bis zum piano abnimmt. Bei dem Wiedereintritt des Thema, (besonders wenn es im Basse vorkommt,) ist das Forte stets an seinem Platz.

§ 7. Die meisten Fugen sind streng legato nach dem Notenwerth vorzutragen. Kommen im Thema aber kurze Noten vor, so müssen sie bei jeder Wiederhohlung desselben eben so kurz sein.

Es gibt auch Fugen, die fast durchaus staccato gespielt werden können; wie Z.B: die Fuge in C mol im 1sten Theile von J.S. Bach's wohltemperirtem Clavier.

Dieses ebengenannte Werk empfehlen wir jedem Spieler, der bereits bis zum Grade der Vollendung gelangt ist, als die beste Schule des Fugenspiels, (und zwar in seiner neuesten, mit Fingersatz und Vortrag versehenen Auflage, Leipzig, bei Peters).

Das Ritardiren ist höchstens nur vor einer Haltung, und am Schlusse der Fuge anwendbar.

Übrigens ist jede Fuge streng im Tempo zu spielen. Die für die Orgel bestimmten Fugen sind auch auf dem Fortepiano langsam vorzutragen. Es gibt aber auch Clavier-Fugen, deren Tempo sehr schnell sein muss.

§ 8. Wir fügen hier zur vorläufigen Übung 2 kleine Fugen bei, von welchen die Erste im langsamen Tempo componirt ist, und folglich sich auch für die Orgel eignet, wogegen die Zweite ziemlich schnell gehen muss, und daher nur auf dem Fortepiano ausgeführt werden kann.

Notenbeispiel S. 66 / 67: Fuge vierstimmig (Lento maestoso)
Notenbeispiel S. 68 / 69: Fuge dreistimmig (Allegro)

<70> Die beigefügte Fingersetzung zeigt in zweifelhaften Fällen deutlich an, mit welcher Hand die Mittelstimme jedesmal zu spielen ist.

Es gereicht jedem Spieler zur Ehre, wenn er eine grosse Anzahl guter Fugen fertig, vollkommen und wo möglich auswendig vorzutragen weiss.

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