Kullak: Ästhetik des Klavierspiels - Kap. 3

S. 48 - Texterweiterung der 8. Auflage (1920)

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[Die Seitenzählung entspricht der 8. Auflage.]

G. Diruta: Il Transsilvano

<*42>Seine [Forkels] Liste ist aber nicht vollständig. Das wichtigste Schulwerk fürs 16./17. Jahrhundert ist

Girolamo Dirutas "Il Transsilvano", 2 Theile, Venedig 1597, 1609. Gleich Bemetzrieders Klavierschule (s.u.) ist es in Dialogform geschrieben und die klarste theoretische Fixierung des Klavierspielsystems der altvenezianischen Schule. Es enthält Beigaben (Kompositionen der besten damaligen Meister wie Merulo, Gabrieli, Guami, Banchieri u.v.a.) und behandelt der Reihe nach die Elementarbegriffe, Fingersatz (sehr eingehend), die Kunst der Uebertragung eines Gesanges aus den Stimmen in die Orgelpartitur und die Lehre von den Diminutionen, scheidet aber noch nicht scharf zwischen Klavier- und Orgelmusik.

F. Couperin: L'art de toucher le Clavecin

Die eigentlich erste Klavierschule, eine Schule, die von der altgewohnten Vieldeutigkeit der Orgel- oder Klaviermusik nichts mehr wissen will, sondern sich ganz allein aufs Klavier beschränkt, ist

François Couperins "L'art de toucher le Clavecin", Paris 1717, ein Werk, das die ganze Kunst der französischen Clavecinistenschule in ein theoretisches System fasst und daneben wichtige subjektive Finzerzeige, allgemeine Ratschläge und Bemerkungen ihres grössten Meisters bringt. Von besonderer Bedeutung zeigt sich in ihr Couperin als Lehrer der Jugend; alles, was er da rät, ist noch heute beherzigenswerth. Sehr interessant sind auch seine Ausführungen über die Anwendung des Fingersatzes, wobei er durch die Vorschrift, bei Wiederholung desselben Tones Fingerwechsel vorzunehmen, einen tüchtigen Schritt weiter vorwärts tut. Auch den fünften Finger zieht er in erhöhtem Masse heran, der Daumen wird freilich immer noch recht stiefmütterlich behandelt. Natürlich erfahren auch die für diese Schule charakteristischen agréments eingehende Erläuterung, überall aber tritt das Bestreben deutlich hervor, dem Klavierspieler allein unter Darlegung aller Ausdrucksmittel seines Instruments zu dienen.

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