Mattheson: Der vollkommene Capellmeister

Teil 1, Kap. 7

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7. Vom mathematischen Verhalt aller klingenden Intervalle. [§. 1-92]

<41> §. 1. Dieses Stück harmonicalischer Wissenschafft und Beschaulichkeit wird mit seinem Kunst=Nahmen Nahmen Canonica genennet. Canon aber, davon das Wort herkömt, heisset eine Regel oder Richtschnur, in Griechischer Sprache. Wir wollen es die Eintheilungs=Lehre der Klänge nennen.

§. 2. Es ist aber diese Eintheilung bloß nach dem äusserlichen Maasse und Verhalt ZU verstehen, den ein Klang mit dem andern hat, und man bedienet sich dabey, als Hülffs=Mittel, der Zahlen und Linien, in Vorbildung der verschiedenen Klänge, nach ihrer abgemessenen Grösse; überläßt aber dem Gehör einig und allein, von deren Wol= oder Ubel=Laut ein Urtheil zu fällen.

§. 3. Der Raum nun, welcher sich solcher Gestalt zwischen zweien oder mehr Enden abgemessener Klänge befindet, die einen gewissen Verhalt mit einander haben, heisset eigentlich ein Intervall. Wovon weiter unten eine weitere Erklärung vorkommen wird. §§. 39 sqq.

§. 4. Die in Zahlen oder Linien vorgebildete Intervalle sind also hier die Materie; ihre abgemessene Grösse ist die sichtbare Form, und der Wol= oder Ubellaut ist der canonische Zweck: von <42> welchem die Canonic aber selbst nichts wissen oder fest setzen kan. Wenn iedoch dieses Ziel auf eine und andre Art erhalten worden, so heißt es die [FN: ...] Harmonic, und das Gehör bleibt immer der Richter in den mannichfältigen Stuffen des Wol=Klanges oder Mis=Lauts.

[...]

<43> §. 11. Kurtz: die gantze harmonicalische Rechne= und Meß=Kunst, wenn wir auch gleich die Algebra mit einschliessen, kan allein nicht einen eintzigen tüchtigen Capellmeister hervorbringen; dahingegen unsre allerbesten Componisten schwerlich iemahls, ihrer schönen Arbeit halber, einen Maaß=Stab in die Hand genommen haben werden. Das kan ein ieder festiglich glauben: ohne mich deswegen einen gewaltigen Sprecher zu nennen.

[...]

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