Quantz: Anweisung - Kap. 9

Das IX. Hauptstück.
Von den Trillern.

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§. 1. Die Triller geben dem Spielen einen grossen Glanz; und sind, so wie die Vorschläge, unentbehrlich. Wenn ein Instrumentist, oder Sänger, alle Geschiklichkeit besäße, welche der gute Geschmack in der Ausführung erfodert; er könnte aber keinen guten Triller schlagen: so würde seine ganze Kunst unvollkommen seyn. [...]

§. 2. Nicht alle Triller dürfen in einerley Geschwindigkeit geschlagen werden. Sondern man muß sich hierinne so wohl nach dem Orte wo man spielt, als nach der Sache selbst, die man auszuführen hat, richten. Spielet man an einem großen Orte, wo es sehr schallet; so wird ein etwas langsamer Triller beßere Wirkung thun, als ein geschwinder. Denn durch den Wiederschall geräth die allzugeschwinde Bewegung der Töne in eine Verwirrung, und folglich wird der geschwinde Triller undeutlich. Spielet <84> man hingegen in einem kleinen oder tapezirten Zimmer, wo die Zuhörer nahe dabey stehen: so wird ein geschwinder Triller besser seyn, als ein langsamer. Man muß ferner zu unterscheiden wissen, was für Stücke man spielet; damit man nicht, wie viele thun, eine Sache mit der andern vermenge. In traurigen Stücken muß der Triller langsamer; in lustigen aber geschwinder geschlagen werden.

[...]

§. 5. Soll der Triller recht schön seyn; so muß er egal, oder in eine gleichen, und dabey mäßigen Geschwindigkeit, geschlagen werden. Auf Instrumenten müssen deswegen die Finger bey keinem Schlage höher, als bey dem andern, aufgehoben werden.

§. 6. Die rechte Geschwindigkeit eines ordentlichen Trillers genau zu bestimmen, dürfte wohl etwas schwer fallen. Doch glaube ich, daß es weder zu langsam noch zu geschwind seyn müsse, wenn man einen langen Triller, der zum Schluße vorbereitet, so schlüge, daß der Finger in der Zeit <85> eines Pulsschlages nicht viel mehr als vier Bewegungen, und folglich acht solche Noten machte, wie Tab. VII. Fig. 1. zu ersehen sind. In geschwinden und lustigen Stücken hingegen, können die kurzen Triller etwas geschwinder geschlagen werden. Man kann hier den Finger, in der Zeit eines Pulsschlages, noch ein= oder aufs höchste zweymal mehr aufheben. Doch findet diese letztere Art nur bey kurzen Noten, und wenn deren etliche auch einander folgen, statt.

Wegen der Geschwindigkeit der Triller überhaupt, könnte zum Ueberfluße noch bemerket werden, daß man sich deswegen nach der Höhe und tiefe der Töne zu richten habe. Ich will die vier Oktaven des Clavicymbals zur Richtschnur nehmen; und glaube, daß wenn man den Triller in der eingestrichenen Octave in der obenbeschriebenen Geschwindigkeit schlägt; man denselben in der zweygestrichenen Octave um etwas geschwinder, in der ungestrichenen aber, um so viel langsamer; und in der tieffsten Octave noch etwas langsamer, als in der ungestrichenen, schlagen könnte. [...] ich stelle einem jeden frey, diese Meynung entweder anzunehmen oder zu verwerfen. Sollten dergleichen Subtilitäten von den wenigsten für etwas nützliches gehalten werden: so wird mir genug seyn, wenn auch nur einige wenige, welche einen feinen Geschmack, eine reife Beurtheilungskraft, und viel Erfahrung haben, mir hierinn nicht ganz und gar entgegen seyn werden.

§. 7. Jeder Triller nimmt von dem, vor seiner Note, entweder von oben oder von unten zu nehmenden [...] Vorschlage, seinen Anfang. Die Endigung jedes Triller besteht aus zwo kleinen Noten, so nach der Note des Trillers folgen, und demselben in gleicher Geschwindigkeit angehenget werden, s. Tab. VII. Fig. 2. Sie werden der Nachschlag genennet. Dieser Nachschlag wird bisweilen durch eigene Noten ausgedrücket, s. Fig. 3. Findet sich aber nur die simple Note allein, s. Fig. 4; so versteht sich sowohl der vor= als Nachschlag darunter: weil ohne diese der Triller nicht vollkommen und brillant genug seyn würde.

<86> §. 8. Der Vorschlag des Trillers ist zuweilen eben so geschwind, als die übrigen Noten, woraus der Triller bestehet: Z.E. wenn ein neuer Gedanke, nach einer Pause, mit einem Triller anfängt. Dieser Vorschlag mag aber lang oder kurz seyn, so wird er doch allezeit mit der Zunge angestoßen: der Triller nebst seinem Nachschlage aber, werden an denselben geschleifet.

[...]

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