Riemann: Klavierschule op. 39,1

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§ 2. Körperhaltung.

<3> Der Spieler setze sich ganz ungezwungen, aber mit elastischer Haltung, d.h. weder steif noch schlaff, weder gereckt noch zusammengesunken, gerade (weder nach rechts noch nach links gedreht) vor's Klavier und lege durch schlichte Vorwärtsbewegung des Armes im Achselgelenke die Hände auf die gerade aus erreichbaren oder nur wenig nach der Mitte zu gelegenen Tasten c-g und c"-g". Alles gezwungene, geschraubte hindert den freien Gebrauch der Hände und ist falsch. Manche Lehrer wollen eine gerade Haltung erzwingen durch ein merkliches Rückwärtsneigen des Oberkörpers; das Resultat ist aber Steifheit statt Elasticität. Der Schüler sitze nie auf der vordern Kante des Stuhles, sondern auf Stühlen mit Lehne fest an der Lehne, ein wenig nach vorn geneigt, aber nicht durch Krümmung des Rückens, sondern durch Bewegung des ganzen Oberkörpers nach vorn (im Hüftgelenk). Eine etwaige Neigung, den Ellenbogen vom Körper weg nach aussen zu heben, werde durchaus bekämpft, ebenso fehlerhaft ist aber das Andrücken des Ellenbogens an den Körper. Die ganze Haltung sei frei, ungezwungen, elastisch. Der Lehrer muss mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln darauf hinwirken, dass der Schüler, sobald er sich an's Klavier setzt, frisch und voll guten Willens und guten Vertrauens sei. Trägheit, Mangel an Energie, mürrische Laune sind die schlimmsten Feinde des Fortschritts, beim Klavierspiel wie überall. Geistige und körperliche Spannkraft sind unerlässlich und müssen sich in der ganzen Haltung wie in jeder Bewegung auf den ersten Blick zu erkennen geben. Besonders muss die Hand voll Leben sein bis in die Fingerspitzen. Der Lehrer hat sich daher selbst um das körperliche Befinden des Schülers zu bekümmern und dahin zu wirken, dass derselbe für gesunde Erholung durch Spaziergänge, kalte Bäder usf. sorge.

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