Riemann: Klavierschule op. 39,1

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Kap. 12 [Seite 4 von 10]

Vorausgesetzt, dass diese Bestimmungen zu jener Zeit, als man noch nicht das Zeichen des unveränderlich kurzen Vorschlags [Vorschlagnote] <66> kannte (in der zweiten Auflage von Türks Schule, die 1802 erschien, wird dasselbe als etwas neu auftauchendes genannt), allgemein anerkannt waren, so kommt man damit schon ziemlich weit. Schlimm ist es aber, dass gerade einer der häufigsten Fälle, nämlich

Notenbeispiel S. 66, Nr. 1

von Türk zu den zweifelhaften gerechnet wird; er bemerkt dazu, (S. 225): "Bei diesen und ähnlichen Figuren werden zwar die Vorschläge fast von allen Tonlehrern kurz verlangt

Notenbeispiel S. 66, Nr. 2

und in verschiedenen Fällen, wenn z.B. nur eine einzelne Figur dieser Art vorkommt (a) oder wenn mehrere ähnliche Figuren nach einander folgen (b):

Notenbeispiel S. 66, Nr. 3

mag diese Entscheidung gut und aus harmonischen Gründen nöthig sein. Allein noch kann ich mich nicht davon überzeugen, dass diese Regel so allgemein und auf jeden Fall anwendbar sein könne. Wenn man z.B. in

Notenbeispiel S. 64, Nr. 4

nach vorhergehenden (oder vor nachfolgenden) viergliedrigen Figuren die Vorschläge kurz angiebt, so scheint mir der Gang der Melodie gleichsam hinkend zu werden." Diese Unsicherheit ist freilich schlimm; wir kommen hier auf das Hauptgesetz der richtigen Ausführung der Verzierungen - den guten Geschmack, der leider ein nicht ganz zuverlässiger Rathgeber ist in Dingen, über welche er zu verschiedenen Zeiten verschieden urtheilt; denn der Geschmack ist der Vater der Mode.

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