Chr.Fr.D. Schubart: Ästhetik der Tonkunst

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[Quantz, Johann Joachim]

<85> Quanz. Vielleicht der erste Flötenspieler der Welt; wenigstens in der Theorie hat es ihm niemand zuvor gethan. Er machte am preußischen Hofe ein Glück, wie <86> es noch wenige Tonkünstler in Europa gemacht haben. Da er der Lehrer seines Königs in der Flöte war; so genoß er auch seine Gnade über dreyßig Jahre hindurch ununterbrochen. Er bezog eine Besoldung von 4000 Thalern, bekam für jede von ihm angeblasene Flöte hundert Ducaten, und noch über dieß manch königliches Geschenk. Er bewohnte einen eigenen Pallast zu Potsdam, den ihm der König verehrt hatte. Sein Fleiß war erstaunenswürdig; der König besaß über drey hundert ungedruckte Concerte von ihm , ohne die unzähligen Sonaten, Concerte und andere Stücke, die er für ihn aufgesetzt hatte. Bis an sein Ende zog Friedrich Quanzens Compositionen für die Flöte allen andern vor. Auch die Welt besitzt sehr viele Stücke von diesem Manne. Sein Ansatz, die Art sein Instrument zu spielen und zu behandeln, seine neuen und meist natürliche Applicaturen, die vielen äußerst regelmäßig gesetzten Stücke haben ihn hierin zum Lehrmeister von ganz Europa gemacht. Aber damit ist Quanzens Verdienst noch nicht vollendet. Er schrieb ein classisches Werk über die Flöte unter dem Titel: Anleitung die Flöte zu spielen, mit erläuternden Beyspielen und durch Ziffern angezeigten Applicaturen. Durch dieses Buch errang er den Lorbeer der Unsterblichkeit sicher und ganz. Kaum läßt sich mehr etwas über dieses Instrument sagen, was er nicht gesagt hätte. Wer Ohr, Nachdenken und Fleiß hat, kann die Flöte aus dieser Schrift ohne Anführer selbst lernen: rein und deutlich der Styl, unverbesserlich die Grundsätze. Aber auch andern Musikern <87> ist dieß Werk sehr zu empfehlen. Man findet darin herrliche Winke und practische Vorschläge zur Einrichtung eines Orchester, Anordnung und Stellung der Instrumentisten, Bildung des Gesangs, und Begleitung des Flügels, die von der Hand des Meisters zeigen. Quanz behauptete: Je tiefer der Musiker ins Ganze blicke, desto trefflicher werde er auf seinem einzelnen Instrumente seyn. Daher waren ihm Virtuosen ohne Theorie nichts weiter, als Naturalisten und Leyermänner, die nicht verstehen, was sie vortragen. Kurz, Quanz ist das Muster eines wahren Virtuosen, nach welchem sich derjenige hinaufmessen muß, der mit diesem Titel prangen will. Er starb grau an Jahren wie an Verdiensten; hinterließ ein Vermögen von 70000 Thalern, und eine herrliche musikalische Bibliothek, welche der König für 20000 Thaler abkaufte. Friedrich ließ ihm ein treffliches Grabmahl setzen: auf schwarzem Marmor ruht seine Büste von weißem Marmor; unten sieht man eine Flöte mit Lorbeer umwunden; die Inschrift heißt: "Manibus Quanzii. Instruxit Regem Friedericum secundum."

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