Chr.Fr.D. Schubart: Ästhetik der Tonkunst

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Rolle, Johann Heinrich

<116> Rolle. Hat sich durch seine Kirchen-Jahrgänge, Cantaten, Oratorien, Motetten, Orgel- und Clavierstücke, <117> weltberühmt gemacht. Aeußerste Präcision des Satzes, Ernst und Würde im Ausdruck, herrliche Bässe zeichnen seine Musik aus. Seine Recitative sind mit vieler Kunst bearbeitet, und seine Chöre voll Hoheit.

Abraham auf Moria, und Lazarus, von dem innigen warmen Dichter Niemeyer verfertigt, sind seine Meisterstücke. Besonders kann man seinen Lazarus nicht anhören, ohne von der entzückenden Hoffnung der Auferstehung durchdrungen zu werden. Nur haben es die Hyperkrittler tadeln wollen, daß er Jesum singend eingeführt hat. Allein fürs erste mußte er hier dem Dichter folgen; und zweytens, ist aus der Geschichte gewiß, daß Jesus in seinem Leben wirklich gesungen hat. Kurz vor seinem Leiden stimmte er den gewöhnlichen Lobgesang an, der nach einer damahls bekannten Melodie von allen gottesfürchtigen Juden mehrmahls gesungen zu werden pflegte. Wer kann es also einem Rolle verargen, wenn auch er Christum - und zwar mit aller ihm möglichen Würde singen läßt? - Sonderlich ist Rolle ein großer Meister in der Bearbeitung der Fugen, und diejenige Fuge, welche im Lazarus vorkommt, verdient unter die ersten Stücke dieser heutiges Tags so verkannten Musikart gesetzt zu werden. Auch die Clavierstücke von diesem Meister haben viel Werth; doch ist er hierin von manchem andern übertroffen worden.

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