Alexander Moszkowski: LIED, Lisztenreiches

Frei nach Schillers "Lied von der Glocke"

Wohltätig sind die Hände dann,
So lang' der Mensch nicht spielen kann;
Läßt er sie still im Schoße ruhn,
Nie werden sie was Böses tun.

Doch furchtbar uns bedrängt,
Wenn Technik sich dazwischen mengt,
Einhertritt auf der eignen Spur,
Die Tochter der Klaviatur!

Wehe, wenn sie losgelassen
Sich auf's Donnernde verlegt
Und mit wucht'ger Schläge Massen
Ein Klavier zum Krüppel schlägt!

Von dem Flügel
Strömen Töne,
Wunderschöne;
Von dem Flügel Manchesmal
Kommt Skandal.

Hört ihr's wettern dort, so wißt,
Das ist Liszt!
Rot wie Blut
Ist seine Backe,
Jetzt gerät er schon in Wut,
Welch Geknacke!

Jetzt hinauf
Kommt ein Lauf,
Abwärts im Moment im nächsten,
Im Fortissimo in Sexten,
Von den Fingern, den behexten.

Kochend, wie aus Ofens Rachen,
Glüh'n die Tasten, Hämmer krachen,
Pfoten stürzen, Saiten klirren,
Späne fliegen, Noten schwirren;

Zwischen Trümmern,
Ohn' Bekümmern,
Fuchteln hin und her die Patschen,
Meist in Skalen, in chromat'schen;

Durch der Hände lange Kette,
Um die Wette
Flieget aufwärts eine Horde
Falsch gegriffener Akkorde
Bis hinauf in den Diskant;

Prasselnd fällt die dürre Hand
Jetzt zugleich in alle Ecken,
Grad' als sollt' sie Tote wecken;
Und als wollten sie im Rasen
Mitten durch das Instrument
Reißen, die gewalt'gen Händ',
Wird die Schlußpassag' vollführt,
Riesengroß! Hoffnungslos
Sieht der Hörer seine Ohnmacht
Gegenüber solcher Tonmacht
Und bewundert resigniert.

Ganz kaputt ist der Flügel
Nur ein wüster Trümmerhügel;
Mit den einstmals prächt'gen Klängen
Ist es aus,
Und zerriss'ne Saiten hängen
Weit hinaus.

Einen Blick
Dem schonungslosen
Virtuosen
Sendet noch der Mensch zurück.
Greift fröhlich dann zu seiner Watte,
Falls er die im Ohre hatte;
Wie sehr es auch um ihn getobt,
Den süßen Trost hat sein Gewissen,
Das Trommelfell ist nicht zerrissen,
Gott sei gepriesen und gelobt!

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