Billig ist's, den Herrn zu preisen

Gotteslob und Fürstenehre

Deutsche Musik im Barock 1

Musik-Nr.: 01
Komponist: Johann Sebastian Bach
Werk-Titel: Kantate BWV 52
("Falsche Welt, dir trau ich nicht")
Auswahl: "In dich hab ich gehoffet, Herr" <CD 1, Tr. 11.> 0:40
Interpreten: Knabenchor Hannover
Paul Esswood (Alt)
Kurt Equiluz (Tenor)
Michael Schopper (Baß)
Leonhardt-Consort
Ltg.: Gustav Leonhardt
Label: Tel (LC 3706)
242 422-2
<CD 1, Tr. 11.> Gesamt-Zeit: 0:40
Archiv-Nummer: ____

Daß fromme Lieder gottgefällig seien, davon sind offensichtlich weder Katholiken noch Protestanten gänzlich überzeugt. Der Streit, ob es sich für einen braven Christenmenschen ziemt, seine Stimme während des Gottesdienstes erschallen zu lassen (zur höheren Ehre Gottes versteht sich), dieser Streit währt nun schon mehr als anderthalb Jahrtausende. Schon der Heilige Augustinus, einer der frühchristlichen Kirchenväter, lehrte, daß nicht nur die Frau zu schweigen habe im Gotteshaus, sondern er empfand auch Musikinstrumente jeglicher Art als unschicklich und in höchstem Maße bedrohlich für das ewige Seelenheil. Zwar gab es auch immer wieder Zeiten, wo die Kirchenmusik nicht laut und prachtvoll genug sein konnte, aber solche Phasen dauerten nie allzulange, und dann brachen für die Kirchenmusiker die "mageren Jahre" an.

So gab es in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Leipzig den protestantischen Konsistorialrat Johann Christian Gerber, dem "der Lärm in unserer ehrwürdigen Thomaskirche" ein Dorn im Auge war. Verantwortlich für diesen Lärm zeichnete sich niemand anderes als Johann Sebastian Bach, der fast täglich, zumalen beim sonntäglichen Gottesdienst höchst virtuos die Orgel traktierte.

Was den sittenstrengen und sinnenfeindlichen Herrn Gerber zu dem Hinweis veranlaßte, daß ...

... der Zweck des Gottesdienstes im Beten und im Anhören der Heiligen Worte besteht, wozu Orgeln und andere musikalische Instrumente nicht vonnöten sind. Wenn unsere Organisten zudem ein solch starkes Getön und Brausen machen, daß man möchte taub werden, und wenn man vor lauter Pfeifen und Lärmen den Gesang nicht mehr vernimmt, so ist dies ein Mißbrauch, der unbedingt unterbleiben sollte. Es pflegen auch manche Organisten ihre Kunst allzusehr hörten zu lassen: Ihre endlosen Choralvorspiele sind nicht nur verdrießlich zu hören, sondern verzögern in ungehörigem Maße zudem den Gottesdienst.
Musik-Nr.: 02
Komponist: xx
Werk-Titel: Choralvorspiel "Nun kommt der Heiden Heiland", BWV 599
Interpreten: Bernard Foccroulle (Orgel)
Label: Hek (LC ____)
Ri 32 013
<Track xx.> Gesamt-Zeit: __:__
Archiv-Nummer: ____
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Johann Sebastian Bach hatte es nicht leicht in Leipzig. Da gab es zum einen die Kirchenherren, denen die Kirchenmusik nicht prachtvoll genug sein konnte: Wenn man schon kein Opernhaus sein eigen nannte, so wollte man wenigstens in der Kirche ein wenig Unterhaltung haben. Aber über das Geld bestimmten die anderen, etwa jener sittenstrenge Johann Christian Gerber, für den die "neumodische" Kirchenmusik ein Werk des Teufels war:

In unserer hiesigen Hauptkirche St. Thomas klingt die Musik oft gar so weltlich und lustig, daß sie besser auf einen Tanzboden oder in eine Oper aufgehoben wäre. Am allerwenigsten will sich solch eine Musik zur Leidensgeschichte unseres Herrn schicken. Vor fünfzig und mehr Jahren war der Brauch, daß in der Karwoche schweigen mußte. Aber dann hat man angefangen, die Passion mit vielerlei Instrumenten auf das Künstlichste zu musizieren. Bisweilen wird eine Strophe aus einem Passions-Lied mit eingemischt, auf daß die Gemeinde ihren Anteil hat, aber alsdenn gehen die Instrumente wieder auf einem Haufen. - Wie gut würde es um die christliche Kirche stehen, wenn wir uns in unseren Passions-Gottesdiensten aufs Predigen, Beten und Büßen verlegten, wovon wir leider sehr weit abgekommen ...

Die Vorwürfe, die Johann Christian Gerber gegen die Leipziger Kirchenmusik erhob, richteten sich vornehmlich gegen den Thomaskantor Johann Sebastian Bach, auch wenn dieser Name nirgends ausdrücklich genannt wird. Gerber, der als Konsistorialrat eine Menge zu sagen hatte, hätte dem Musiker gerne gekündigt, doch dem stand ein entscheidender Umstand entgegen: Die Anstellung an der Thomaskirche wurde von der Stadt Leipzig bezahlt.

Die Leipziger Ratsherren wollten zwar eine prächtige Musik - aber kosten durfte sie nicht viel. Woher Bach die Sänger und Instrumentalisten für die sonntäglichen Kantaten und für die jährlichen Aufführungen der Passion hernahm, das sollte ihre Sorge nicht sein. So schrieb denn Bach an den Rat der Stadt Leipzig eine Eingabe nach der anderen mit der Bitte, man möge die Zahl der Musiker aufstocken - immerhin hatte er als Thomaskantor nicht nur die Hauptkirche, sondern auch drei weitere Nebenkirchen mit Musik zu versorgen.

Seine Wunschvorstellung: jede Chorstimme mindestens doppelt, wenn nicht gar vierfach besetzt. Die Realität um 1730: Bach konnte froh sein, wenn er jede Stimme mit einem Sänger besetzt bekam. Sobald einer krank wurde, war es um die "wohlbestallte Kirchenmusik" geschehen.

Wenn Bach seine Passionen aufgeführt hat, dürfte es wohl anderes geklungen haben, als wir es heutzutage gewohnt sind: kein großes Orchester, kein riesiges Choraufgebot. - Der englische Musiker Andrew Parrott hat einmal rekonstruiert, wie eine solche Besetzung geklungen haben könnte: ein Klangbild, dem zwar die eindrucksvolle dramatische Monumentalität fehlt, daß aber auf seine Weise durch die Transparenz des musikalischen Geschehens besticht. Hier ein Ausschnitt aus der Johannes-Passion in einer Besetzung, wie Bach sie aufgeführt haben dürfte.

Musik-Nr.: 03
Komponist: Johann Sebastian Bach
Werk-Titel: Johannespassion, BWV
Auswahl: Nr. 21 und 22 <CD 2, Tr. 7.8.> 6:30
Interpreten: Taverner Consort
Taverner Players
Ltg.: Andrew Parrott
Label: EMI (LC 0110)
CDS 7 54083 2
<CD 2, Tr. 7.8.> Gesamt-Zeit: 6:30
Archiv-Nummer: ____
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Es ist gleichsam die Ironie der Musikgeschichte: Bach, der zu Lebzeiten für seine Musik hat "kämpfen" müssen, der nie genügend Musiker zur Verfügung hatte und für seine Kantaten-Aufführungen allenfalls eine Woche Probenzeit hatte, - Bach gehört zum festen Bestand unseres heutigen Musikrepertoires. Während etwa die katholische Kirchenmusik des Barock-Zeitalters, die damals alle erdenklichen Möglichkeiten und Freiheiten hatte, heutzutage fast vergessen ist. Wer kennt schon die katholischen Bach-Zeitgenossen Jan Dismas Zelenka oder Antonio Caldara?

Caldara, 1670 in Venedig geboren, kam 1711 als Hofkomponisten Karls VI. nach Wien. Karl VI., fühlte sich als habsburgischer Kaiser des "Heiligen römischen Reiches Deutscher Nation" (ähnlich wie der Papst in Rom) als irdischer Vertreter des göttlichen Willens. So fand denn auch die Musik am habsburgischen Hof "paradiesische Zustände" vor. Wenn woanders die Hofmusiker hungern mußten, weil die Fürsten keinen Lohn bezahlten, - in Wien versammelten sich die besten Musiker (soweit sie katholisch waren); hier wurde Musik in all ihren Spielarten gepflegt: Opern, Serenaden, Kantaten, Oratorien; Kirchenmusik in der strengen konservativ-kontrapunktischen a-cappella-Schreibweise, wie sie das päpstliche Rom bevorzugte, aber auch in der modernen Art mit solistischen Einlagen und mit Instrumenten.

Antonio Caldara zählte wegen seiner Vielseitigkeit zu den Lieblingskomponisten des Kaisers. In den zwanzig Jahren, in denen er in Wien weilte, schrieb er 63 Opern, 27 Oratorien, etwa 150 Serenaden und Kantaten sowie mehrere hundert Kirchenwerke, darunter dreißig groß angelegte Festmessen. Der Orchester-Apparat, der Caldara ganz selbstverständlich zur Verfügung stand, und das Sänger-Aufgebot hätten Bach vor Neid erblassen lassen: Caldaras Messe für die beiden Heiligen Cosmas und Damian verlangt neben einem großen Streicher-Ensemble zwei hohe Clarintrompeten, zwei tiefe Trompeten, Pauke, zwei Posaunen, Fagott, dazu einen stimmstarken Chor samt Vokalsolisten. Und Caldara hatte all dies auch zur Verfügung.

Musik-Nr.: 04
Komponist: Antonio Caldara
Werk-Titel: Missa Sanctorum Cosmae et Damiani
Auswahl: "Benedictus"; "Agnus Dei" <Track 17.18.19.> 5:10
Interpreten: Monika Frimmer (Sopran)
Ralf Popken (Altus)
Wilfried Jochens (Tenor)
Klaus Mertens (Bariton)
Westfälische Kantorei
Capella Agostino Steffani
Ltg.: Lajos Rovatkay
Label: EMI (LC 6646)
CDC 7 54276 2
<Track 17.18.19.> Gesamt-Zeit: 5:10
Archiv-Nummer: ____
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"Musik zur Ehr und Zier" - dies galt nicht nur für die Musik in der Kirche, sondern auch am weltlichen Hof, bei Fürsten und Königen. Der französische König Ludwig XIV. hatte als erster erkannt, daß Musik sich trefflich als Herrscherlob einsetzen ließ. So wie er den Titel "Roi du Soleil" - Sonnenkönig - für sich beanspruchte, um aller Welt deutlich vor Augen zu führen, daß er der Mittelpunkt war, um den sich alles drehte (wie die Planeten um die Sonne), so war auch die Musik am französischen Hof von Versailles nur dazu da, dem Herrscher in gebührender Form zu huldigen. Opern, Ballette, Kantaten, Instrumentalmusik: alles diente dazu, die Bedeutung des Herrschers herauszustreichen.

Die deutschen Fürsten wünschten an ihrem Hofe ähnliches. Nur - die Verhältnisse waren nicht entsprechend: Zunächst machte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Dreißigjährige Krieg ein deutsches Kulturleben weitgehend unmöglich, und danach wurden erst einmal die Schlösser wieder aufgebaut. Für eine repräsentative Musik wie in Frankreich oder ein festes Opernhaus nach Art der Italiener hatten die deutschen Fürsten kein Geld. Zudem gab es in deutschen Landen kaum Musiker, die das Opern-Genre auch nur einigermaßen beherrschten. Und die italienischen Komponisten und Gesang-Stars forderten schon damals so horrende Preise, daß es allemal preiswerter war, sich samt Hofstaat für Karnevalszeit in Venedig einzuquartieren, um dort die Opernsaison zu erleben.

Dem sächsischen Regenten August dem Starken war die jährliche Venedigreise - bei aller Liebe zur Oper - auf Dauer dann doch zu strapaziös. Als König von Sachsen (und später auch König von Polen) hatte er ein ganze Reihe von repräsentativen "Pflichten" zu erfüllen, und so ließ er sich seine Eß- und Trinkgelage in Dresden im Jahr vier Millionen Taler kosten. Für die Musik wurden die besten Sängerinnen und Sänger aus ganz Europa eingekauft: Die Primadonna Faustina Bordoni und der Kastrat Senesino erhielten jeweils zwanzigtausend Taler, und der hochberühmte Komponist Johann Adolf Hasse mußte für 16.000 Taler im Jahr vier Opern schreiben. Zum Vergleich: Ein guter Handwerker konnte sich glücklich schätzen, wenn er im Jahr siebzig Taler verdiente!

Musik-Nr.: 05
Komponist: Johann Adolf Hasse
Werk-Titel: Cleofide
Auswahl: 1. Akt, Nr. 29 <CD 2, Tr. 14.> 5:30
Interpreten: Emma Krikby (Cleofide) Derek Lee Ragin (Poro)
Capella Coloniensis
Ltg.: William Christie
Label: Cap (LC 8748)
10 193/96
<CD 2, Tr. 14.> Gesamt-Zeit: 5:30
Archiv-Nummer: ____
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Die Dresdener Oper mit dem Komponisten Johann Adolf Hasse, der Sängerin Faustina Bordoni und dem Kastraten Senesino war über die Grenzen Deutschlands hinaus berühmt. Was allerdings keinen Einfluß auf die Staatsfinanzen hatte. Mitte des 18. Jahrhunderts war das Königreich Sachsen derart überschuldet, daß selbst der König einsah, daß nun rigoros gespart werden müßte. Kurzerhnd wurden sämtliche Musiker entlassen, und Senesino, der noch zwei Jahresgagen von insgesamt vierzigtausend Taler zu kriegen hatte, durfte sehen, wo er sein Geld herbekam. Den Betrag beim sächsischen König persönlich einzufordern, wäre sicherlich nicht klug gewesen.

Daß Musikgenuß und sparsame Lebensführung sich nicht ausschließen: das hat der Preußenkönig Friedrich der Zweite bewiesen. Auf Schloß Sanssouci in Potsdam bei Berlin wurde allabendlich musiziert. Und damit die Kosten nicht zusehr in die Höhe schnellten, ergriff der König regelmäßig selbst die Flöte. Nach allem, was wir wissen, war Friedrich der Große ein leidenschaftlicher und ausgesprochen guter Flötenspieler; nur - diese musikalische Leidenschaft wurde getrübt durch den recht beschränkten Geschmack Seiner Majestät: Denn er wollte keine andere Musik spielen als die Kompositionen, die sein alter Flötenlehrer Johann Joachim Quantz eigens für ihn geschrieben hatte.

Es muß eine recht skurrile Gesellschaft gewesen sein, die sich dort abends im Musiziersalon von Schloß Sanssouci einfand: der untersetzte, von Gicht geplagte König und sein mittlerweile 76 Jahre alter Flötenlehrer, dazu die Truppe der schlecht besoldeten Hofmusiker und zu guter Letzt der Hofstaat, der verpflichtet war, der königlichen Darbietung andächtig zu lauschen.

Der englische Musikgelehrte Charles Burney, der 1772 in Potsdam zu Besuch weilte, schildert das königliche Flötenspiel so:

Die Präzision, wie er die Flöte spielt, ist groß, sein Ansatz klar und eben, seine Finger brillant und sein Geschmack rein und ungekünstelt. Ich war erstaunt über die Nettigkeit seines Vortrags und über den empfindungsvollen Ausdruck. Kurz, sein Spiel übertraf in manchen Punkten alles, was ich bisher unter Liebhabern und saelbst von Flötisten von Profession gehört habe.

An den Flötenkonzerten des Herrn Quantz hat Charles Burney allerdings auszusetzen, daß sie so altmodisch klingen, als seien sie vor mindestens vierzig Jahre komponiert, und er vergleicht sie mit jenen ...

... feinen Weinen, die leider schal und flach geworden sind man mag sie so gut verwahrt haben, wie man will. Überhaupt - was Herrn Quantz angeht: Er hat nichts weiter zu tun, als bisweilen, wenn der König einen Satz geendet hat, ein 'Bravo' zu rufen, welches ein Privilegium zu sein scheint, dessen sich die übrigen Herren Virtuosen von der Kapelle nicht zu erfreuen haben.

Und damit sind die Lustbarkeiten auf Schloß Sanssouci dann für den Abend beendet. Immerhin läßt sich Friedrich II. jeden Morgen um vier Uhr in der Frühe wecken, um sich den ganzen Tag über seinen Staatsgeschäften zu widmen.

Musik-Nr.: 06
Komponist: Johann Joachim Quantz
Werk-Titel: Konzert e-moll für Flauto traverso,
Streicher und Basso continuo
Auswahl: __ <Track 10.> 4:55
Interpreten: Ernst-Burghard Hilse
Akademie für Alte Musik Berlin
Label: Berlin Classics (LC 6203)
0110 025
<Track 10.> Gesamt-Zeit: 4:55
Archiv-Nummer: ____
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