Mit Pauken und Trompeten

Die barocken Musikinstrumente

Deutsche Musik im Barock 5

Musik-Nr.: 01
Komponist: Michael Praetorius
Werk-Titel: Terpsichore (1612)
Auswahl: Philou <Track 2.> 0:55
Interpreten: Ricercare-Ensemble für Alte Musik, Zürich
Label: EMI (LC 0110)
7 63 144-2
<Track 2.> Gesamt-Zeit: 0:55
Archiv-Nummer: ____

Die Vorstellung von dem, was "schöner Klang" ist, hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gewandelt. Denken wir nur an die heutigen Pianisten, die über das Cembalo die Nase rümpfen und behaupten, es sei kein vollwertiges Instrument, sondern nur der Vorläufer des modernen Konzertflügels. Und ähnlich haben auch die Musiker in früheren Zeiten gedacht. So vertrat etwa der Komponist Michael Praetorius zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Meinung, daß

die Instrumente der Vorväter wie Eselsgeschrei" geklungen hätten und daß "erst die Musiker in unserer Zeit vermochten, eine angenehme Sinfonie zustande zu bringen.

Das Wort "Sinfonie" beschrieb im 17. Jahrhundert allerdings keine Gattung (wie später bei Haydn, Mozart und Beethoven), sondern "Sinfonie" bedeutete damals nichts weiter als der Zusammenklang mehrerer Instrumente. Und insoweit hatte Michael Praetorius schon recht, daß der musikalische Geschmack sich gewandelt hatte - daß es einen Unterschied gab zwischen dem, was er und seine Zeitgenossen als "schönen Klang" empfanden, und dem Klangideal der Jahrhunderte davor.

Das Ideal des 16. Jahrhunderts, also der Zeit vor Praetorius, waren Instrumentalklänge, die sich reibten: Dudelsack, Drehleier, scharf klingende Blasinstrumente (vergleichbar unseren heutigen "Kindertrompeten") und schnarrende Fiedeln - das alles in Zusammenstellungen, wie es sich gerade ergab, welche Instrumente und Instrumentalisten gerade verfügbar waren. Besetzungsvorschriften, wie sie dann im Laufe des 17. Jahrhunderts üblich geworden sind, gab es damals noch nicht.

Auch Michael Praetorius stellte es den Ausführenden frei, welche Instrumente sie wählten; nur bat er im Vorwort zu seiner Tanz-Sammlung Terpsichore von 1612 darum, man möge die Tänze, soweit vorhanden, mit einem gleichen "Chor" von Instrumenten spielen oder doch zumindest mit Instrumenten, die sich in "süßer und lieblicher Weise mischen".

Hier aus Praetorius' Sammlung zunächst ein Beispiel einer solch lieblichen Mischung: eine spanische Pavane, ausgeführt mit vier Blockflöten, vier Gamben, Spinett, Laute, Chitarrone und Schlagzeug. Daran anschließend ein Dorftanz in nahezu "reiner" Besetzung mit vier oboen-ähnlichen Instrumenten: der Schalmei und den sogenannten Pomnmern in Altlage, Tenor- und Baßlage.

Musik-Nr.: 02
Komponist: Michael Praetorius
Werk-Titel: Terpsichore (1612)
Auswahl: Pavane de Spaigne
Bransle de Villages
<Track 11.>
<Track 1.>
0:55
Interpreten: Ricercare-Ensemble für Alte Musik, Zürich
Label: EMI (LC 0110)
7 63 144-2
<Track 11. / Track 1.> Gesamt-Zeit: 6:35
Archiv-Nummer: ____
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Über die sogenannten Pommern (die Blasinstrumente, die Sie soeben hörten) schreibt Praetorius an anderer Stelle, ihr Name leite sich aus dem Italienischen her, von "Summen" und "Brummen". Von der Konstruktion her ähneln die Pommern der heutigen Oboe - doch welch klanglicher Unterschied tut sich hier auf, wenn man die Instrumente zu Praetorius' Zeiten, also vom Beginn des 17. Jahrhunderts, vergleicht mit denen, die etwa Georg Philipp Telemann gut hundert Jahre später zur Verfügung hatte.

Musik-Nr.: 03
Komponist: Georg Philipp Telemann
Werk-Titel: Konzert für 3 Oboen, 3 Violinen
und Basso continuo B-Dur
<Track 5.6.7.> 9:00
Interpreten: Musica antiqua Köln
Ltg.: Reinhard Goebel
Label: DGG Archiv (LC 0113)
419 633
<Track 5.6.7.> Gesamt-Zeit: 9:00
Archiv-Nummer: ____
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Daß die Musikinstrumente im Laufe der Jahrhunderte ihr Aussehen und ihren Klang veränderten, hat vielerlei Gründe. Neue handwerkliche Fertigkeiten und physikalisch-technische Kenntnisse ermöglichten den Bau neuartiger Instrumente, was auch Auswirkungen auf die Spieltechnik hatte. Die Musiker griffen die neuen Möglichkeiten auf, es entwickelte sich ein neues Klangideal, und somit waren wiederum die Instrumentenbauer zu weiteren Verbesserungen herausgefordert. Ein "Fortschritts"-Kreislauf, der sich nicht nur auf die Blasinstrumente beschränkte, sondern ebenso auch die Entwicklung der Streichinstrumente beeinflußte.

Die Fiedel war im Mittelalter und in der frühen Renaissance das Instrument der fahrenden Spielleute gewesen. Es war preiswert vom Material her (Holz gab es überall), einfach zu bauen und ließ sich leicht spielen. Aber Anfang des 16. Jahrhunderts entwickelte sich aus der Fiedel die Geige. Zunächst in Italien, später dann in den deutschen Alpen, etablierten regelrechte Geigenbau-Familien, die miteinander konkurrierten in dem Bestreben, klangvollere Instrumente herzustellen, und eifersüchtig ihre Konstruktionsgeheimnisse hüteten. Die Familien Stradivari, Amati, Guarneri und Stainer sind auch heute noch jedem Musikliebhaber geläufig.

Die Komponisten haben die Entwicklung im Geigenbau dankbar aufgegriffen - in Italien (dem Heimatland de Violine) eher als in Deutschland. Doppelgriffe, halsbrecherische Passagen: kaum etwas, das auf diesen neuen Instrumenten nicht möglich war. Einen Höhepunkt barocker Experimentierlust stellen dabei die sogenannten Mysterien- oder Rosenkranz-Sonaten des Österreichers Heinrich Ignaz Franz Biber dar. Ihren Namen haben sie von den Kupferstichen, die jeder Sonate beigegeben sind und die sich auf die Leidensgeschichte Jesu bezieht. Aber nicht dies ist das eigentlich Besondere; sondern der Komponist verlangt vom Geiger, daß er für jede Sonate sein Instrument anders stimme. Dadurch sind neue Doppelgriffe möglich, und wer sich ein wenig mit dem Geigenklang vertraut ist, wird feststellen, daß das Instrument durch diese Umstimmung auch anders klingt. - Hier nun die neunte der Rosenkranz-Sonaten, die Kreuztragung in a-moll. Reinhard Goebel wird begleitet von der Musica antiqua Köln.

Musik-Nr.: 04
Komponist: Heinrich Ignaz Franz Biber
Werk-Titel: Rosenkranz-Sonaten
Auswahl: Sonata IX "Die Kreuztragung" <CD 2, Tr. 1.> 5:45
Interpreten: Musica antiqua, Köln
Label: DGG Archiv (LC 0113)
431 656-2
<CD 2, Tr. 1.> Gesamt-Zeit: 5:45
Archiv-Nummer: ____
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Musik dient nicht nur dem Ergötzen des Ohres oder zur "Höheren Ehre Gottes", sondern seit der Überlieferung des Alten Testaments, daß König David angelegentlich zur Harfe gegriffen habe, galt Musik auch Herrschafts-Symbol. Kein Adliger in der Renaissance und im Barock, der nicht irgendein Musikinstrument beherrscht hätte - wobei es durchaus nicht egal war, welches Instrument! Blasinstrumente verboten sich von selbst: Die aufgeblähten Backen entstellten das Gesicht. Das Violinspiel erforderte zuviel Übung (was für einen Edelmann ebenfalls nicht schicklich war); und so blieb in erster Linie die Laute: Man konnte sich selbst beim Gesang begleiten, das Instrument war nicht allzuschwer zu erlernen und vor allem: es hatte Ähnlichkeit mit König Davids Harfenklang.

Aber neben den aristokratischen Dilletanten gab es auch die Lauten-Virtuosen, die kunstvolle vielstimmige Kompositionen zu Gehör brachten, so daß manch ein Zeitgenosse "glauben mochte, ein ganzes Orchester vor sich zu haben". Am Hof zu Dresden etwa wirkte Leopold Sylvius Weiss, ein Zeitgenosse von Johann Sebastian Bach. "Nur Sylvius allein soll die Laute spielen" ließ der Kurfürst von Sachsen 1750 auf den Grabstein dieses Musikers meißeln, und andere äußerten sich ähnlich ehrfurchtsvoll über das Spiel von Leopold Sylvius Weiss.

Weiss war einer jener Musiker, die die Instrumentenbauer immer wieder zu neuen Erfindungen herausforderten. Die Lauten, die er damals zur Verfügung hatte, waren allenfalls für kleine Räume gedacht, aber sie konnten nicht die Säle ausfüllen, in denen er gezwunen war zu musizieren, geschweige denn, daß sie sie gegen die Vielzahl mitspielender Instrumente durchdringen konnten. So gab Weiss eine sogenannte "Theorbenlaute" in Auftrag, ein Instrument, daß über einen größeren Korpus und über mehr mitschwingende Saiten verfügt und dementsprechend ein größeres Klangvolumen besitzt.

Musik-Nr.: 05
Komponist: Leopold Silvius Weiss
Werk-Titel: Praeludium, Courante, Fuga und Presto d-moll <CD 2, Tr. 11.12.13.14.> 12:25
Interpreten: Lutz Kirchhof (Theorbenlaute)
Label: Sony (LC 6868)
S2K 48 391
<CD 2, Tr. 11.12.13.14.> Gesamt-Zeit: 12:25
Archiv-Nummer: ____
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Sosehr auch viele Musikinstrumente im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts verändert und verbessert wurden - Höhepunkt der Instrumentenbaukunst jener Zeit ist zweifellos der Orgelbau. Die imposante Größe der Instrumente, der Aufwand, sie zu errichten, und nicht zuletzt ihr prachtvoller, vielstimmiger Klang machten die zur Königin der Instrumente.

Auch früher schon, im Mittelalter und in der Renaissance, hatte es Orgeln gegeben, aber da in der katholischen Liturgie damals der Gesang der Gemeinde nicht vorgesehen war, brauchte man keine größeren Instrumente. Der Aufschwung der Orgel setzte ein im Jahre 1517, als Martin Luther in Wittenberg seine Reformatorischen Ideen gegen das katholische Papsttum bekanntmachte. Unter anderem forderte er, daß die Gläubigen aktiv, also singenderweise, an der Gestaltung des Gottesdienstes teilhaben sollten. Und so verbreitete sich mit dem Vordringen des Protestantismus auch der Bedarf nach entsprechend klangvollen Orgeln.

Die großen Orgelbauzentren lagen denn auch nicht im katholischen Süden, sondern im protestantischen Nord- und Mitteldeutschland; Da gab es etwa den in Hamburg ansäßigen Orgelbauer Arp Schnitger, der Aufträge sogar aus Norwegen, Rußland und Frankreich erhielt, oder im Erzgebirge die Familie Silbermann, eine regelrechte Orgelbauerdynastie, deren Instrumente über eine solche klangliche Vielfalt verfügten, daß die Zeitgenossen immer wieder in Erstaunen versetzt wurden. Hier nun von Johann Pachelbel, einem Komponisten der Generation vor Bach, der hauptsächlich für die Orgel schrieb, Präludium und Fuge in d-moll. Es spielt Hans Heintze an der großen Silbermann-Orgel im Dom der sächsischen Stadt Freiberg.

Musik-Nr.: 06
Komponist: Johann Pachelbel
Werk-Titel: Präludium und Fuge d-moll <Track 7.8.> __:__
Interpreten: Hans Heintze (Orgel)
Label: Magna (LC 7082)
2100 229
<Track 7.8.> Gesamt-Zeit: __:__
Archiv-Nummer: ____
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Was die Musikinstrumente anbelangt, hat sich seit der Zeit des Barocks allzuviel nicht mehr verändert. Die Bauweise ist weitgehend gleich geblieben - eine Barockgeige sieht nicht viel anders aus als eine Geige aus dem 19. Jahrhundert -, und dennoch: Die Änderungen im Detail hatten immer auch eine Veränderung des Klangs zur Folge. Was durchaus auch beabsichtigt war, denn das musikalische Ideal entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte hin zu einem glatteren, "hochpolierten" Gesamtklang, wie wir ihn von den modernen Sinfonieorchestern her kennen.

Am deutlichsten ist diese Entwicklung hörbar bei einem Instrument, das im Orchester so gut wie keine Rolle spielt: beim Flügel und seinem Vorläufer, dem Cembalo. Beim Cembalo werden (ähnlich wie bei der Laute) die Saiten angerissen, was einen silbern rauschenden Ton ergibt, der aber schnell verklingt. Weit ausschwingende Melodiebögen lassen sich denn auch auf dem Cembalo nur schwer darstellen, und lange Noten müssen durch Verzierungen immer wieder regelrecht "aufgefrischt" werden, damit der melodische Faden nicht reißt. Hier der langsame zweite Satz aus dem Italienischen Konzert von Johann Sebastian Bach. Es spielt N.N.

Musik-Nr.: 07
Komponist: Johann Sebastian Bach
Werk-Titel: Italienisches Konzert
Auswahl: 2. Satz <Track xx.> __:__
Interpreten: N.N. (Cembalo)
Label: Name (LC ____)
Nummer
<Track xx.> Gesamt-Zeit: __:__
Archiv-Nummer: ____
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Ob Johann Sebastian Bach, der das Cembalo sehr schätzte, auch schon den moderneren Hammerflügel kannte, ist nicht sicher. Anfang des 18. Jahrhunderts hatte der italienische Instrumentenbauer Bartolomeo Cristofori eine neue Mechanik entwickelt, bei der die Saiten nicht mehr angerissen, sondern von einem Leder- oder Filzhammer angeschlagen wurden, was einen tragfähigeren Ton ergab, der sich zudem in der Lautstärke differenzieren ließ. Cristofori nannte denn auch sein Instrument Fortepiano. Das Fortepiano fand bald schon weite Verbreitung; die Komponisten waren dankbar für die neuen klanglichen Möglichkeiten, die sich ihnen boten. Und nach wenigen Jahrzehnten schon galt das Cembalo als veraltetes Instrument, wie auch die Kompositionen für Cembalo für altmodisch angesehen wurden. Carl Philipp Emanuel Bach, der älteste Sohn von Johann Sebastian, etwa schrieb 1753 in seinem "Versuch über die wahre Art, das Clavier zu spielen":

Zur Eigenschaft eines guten Fortepianos gehört: daß es einen guten nachsingenden und schmeichelnden Ton habe. Die Saiten müssen vertragen können, daß man es sowohl ziemlich angreifen als schmeicheln kann und dadurch in den Stand gesetzt wird, alle Arten des forte und piano rein herauszubringen. Ich glaube, daß ein gutes Fortepiano, ausgenommen daß es einen schwächeren Ton hat, alle Schönheiten mit dem Cembalo gemein hat und überdem noch die Bebung und das Tragen der Töne besitzt. Es ist also das Instument, worauf man einen Clavieristen aufs genaueste zu beurteilen fähig ist.

So wie das Cembalo innerhalb kürzester Zeit in Vergesenheit geriet, so neigte sich auch die musikalische Epoche des Barock ihrem Ende zu. Die neuen Forderungen an die Musik: Sie sollt "empfindsam" und "gefühlvoll" sein. Hier nun von Carl Philipp Emanuel Bach das Rondo für Hammerklavier in c-moll. Es spielt Andreas Staier auf dem Nachbau eines Hammerklaviers, wie es Ende des 18. Jahrhunderts in Wien verbreitet war.

Musik-Nr.: 08
Komponist: Carl Philipp Emanuel Bach
Werk-Titel: Rondo c-moll Wq 59,4 <Track 9.> 5:05
Interpreten: Andreas Staier (Hammerklavier)
Label: dhm (LC 0761)
RD 77 025
<Track 9.> Gesamt-Zeit: 5:05
Archiv-Nummer: ____
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