Von Bürgerstolz und Kaufmannsgeiz

Musik in den Städten

Deutsche Musik im Barock 2

Musik-Nr.: 01
Komponist: William Brade
Werk-Titel: Hamburger Ratsmusiken
Auswahl: __ <Track __.> __:__
Interpreten: Hèsperion XX
Ltg.: Jordi Savall
Label: dhm (LC 0761)
1C 165-99 92829
<Track __.> Gesamt-Zeit: __:__
Archiv-Nummer: ____
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"Stadtluft macht frei" - dieser mittelalterliche Spruch, wonach es sich in den freien und unabhängigen Handelsstädten in Deutschland besser und vor allem sicherer leben ließ als unter der Willkürherrschaft irgendeines adligen Landesherrn, dieser Spruch hatte auch im 18. Jahrhundert noch Geltung. So mancher Musiker in fürstlichen Diensten konne ein Lied davon singen, wie unbeständig ein solch höfisches Leben sein konnte: Starb der Landesfürst und es wurde ein "Trauerjahr" ausgerufen, war die Staats-Schatulle leer, oder brauchte man das Geld nötiger für einen Krieg - die Musiker am Hofe waren meist die ersten, die entlassen wurden, und sie durften auch in "normalen" Zeiten froh sein, wenn sie ihre Gehälter überhaupt ausgezahlt bekamen.

So zog es auch der englische Komponist und Viola-Spieler William Brade im Jahre 1617 vor, seinen Dienstherrn, den Grafen von Schaumburg, zu verlassen und sein Glück in der Freien Hansestadt Hamburg zu suchen. Der Grund: Graf Ernst der Dritte schuldete dem berühmten Musiker zwei ganze Jahresgehälter und wollte sich auch auf eine Gehaltserhöhung um 600 Taler nicht einlassen. Brade, der bei Nacht und Nebel das Schloß Schaumburg verlassen hatte, war noch nicht in Hamburg eingetroffen, da lag dem Bürgermeister von Hamburg schon ein regelrechter Auslieferungsantrag in Sachen William Brade vor:

Für den Fall, daß besagter Musikus Wilhelm Brats sich nach Hamburg begeben will, begehren wir hiermit an die Bürgermeister, daß er als ein mutwilliger und frevelhafter Geselle nicht in der Stadt Hamburg geduldet wird, daß ihm nicht nur der Einlaß verwehrt, sondern er auch nach Schaumburg zurückgebracht werde.

Die Hamburger scherten sich allerdings wenig um den gräflichen Auslieferungsantrag. Sie dachten gar nicht daran, einen solch berühmten Musiker aus der Stadt zu weisen, sondern sie taten alles, damit ...

... die Musica, die bisher ein bedeutendes Ornament und Zierrat dieser Stadt gewesen ist, nicht Schaden leide und gedachter Musicus Brade fürderhin seinen notdürftigen Unterhalt haben möge.

Wieviel die Hamburger bereit waren, für den "notdürftigen Unterhalt" von William Brade zu zahlen, ist nicht bekannt. Jedenfalls ernannten sie ihn (zum Ärger des Grafen von Schaumburg) zum obersten Leiter der Ratsmusikanten und verpflichteten ihn, fortan die Repräsentations- und Unterhaltungs-Musiken für die Festlichkeiten der Ratsherren zu schreiben. So entstanden denn jene zahlreichen Sammlungen, die so poetische Titel trugen wie:

Neue auserlesene liebliche Intraden, Gagliarden, Maskeraden, Ballette und andere fremde Tänze, samt lieblichen Frühlings- und Sommerblümlein, in sonderheit auf Violen zu gebrauchen. Dem Rat der Stadt Hamburg ehrerbietigst übereignet von William Brade.
Musik-Nr.: 02
Komponist: William Brade
Werk-Titel: Hamburger Ratsmusiken
Auswahl: __ <Track __.> __:__
Interpreten: Hèsperion XX
Ltg.: Jordi Savall
Label: dhm (LC 0761)
1C 165-99 92829
<Track __.> Gesamt-Zeit: __:__
Archiv-Nummer: ____
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Im Mittelalter und in der Renaissance waren es neben den Kirchenmusikern vor allem die Rathaus- und Turmbläser, die das Musikleben der Städte bestimmten. Ihre alltägliche Aufgabe bestand zunächst darin, in die Stadt einreitende Boten zu melden, bei Bränden Feuerarlarm zu geben oder mehrmals täglich zu bestimmten Zeiten ?die Stunden abzublasen? und durch das Spielen von Chorälen "die Herzen zur Andacht zu stimmen". Zu festlichen Anlässen hatten sie für musikalischen Glanz im Freien zu sorgen, mußten aber auch des Abends auf "Fideln und Violen" in den Sälen zum Tanz aufspielen.

Da auch unter Musikern Einigkeit stark macht, schlossen sich denn die Stadtpfeiffer und Ratsbläser - wie andere Handwerker und Stände auch - in Zünften und Bruderschaften zusammen. Nur wer hier Mitglied war, durfte bei öffentlichen Anlässen, auf Hochzeiten und in der Kirche spielen. Den fahrenden Musikanten standen hingegen nur die Gasthäuser offen - weswegen sie auch abschätzig ?Bierfiedler? und ?Bratengeiger? gerufen wurden.

In Leipzig waren die Ratsbläser laut Vertrag verpflichtet, "des Sonntags und auch ansonsten auf Geheiß des Thomaskantors zu einer wohlanständigen Kirchenmusik" zur Verfügung zu stehen. Als Gegenleistung dafür hatte der Kantor der Thomas-Kirche zur jährlich stattfindenden Ratswahl eine Kantate einzustudieren - vorzugsweise eine, die von ihm selbst komponiert war. So schrieb Johann Sebastian Bach 1723 für die Leipziger Ratswahl die Kantate Preise, Jerusalem, den Herrn - für die Bläser ein hochvirtuoses Stück, das somit auch belegt, auf welch hohem Niveau die Leipziger Ratsmusiker damals sich befanden.

Musik-Nr.: 03
Komponist: Johann Sebastian Bach
Werk-Titel: Kantate BWV 119
"Preise, Jerusalem, den Herrn"
Auswahl: Anfang <Track xx.> __:__
Interpreten: div. Solisten
Concentus musicus Wien
Ltg.: Nikolaus Harnoncourt
Label: Name (LC ____)
Nummer
<Track xx.> Gesamt-Zeit: __:__
Archiv-Nummer: ____
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Das offizielle städtische Musikleben beschränkte sich im 17. und auch noch bis weit ins 18. Jahrhundert weitgehend auf die repräsentativen weltlichen Anlässe und auf die Kirchenmusik. Ein Konzertleben im heutigen Sinne - mit reisenden Virtuosen und Werbung, mit Abonnements- und Kartenverkauf gab es erst in wenigen Ansätzen. Die Bürger, die sich für Musik interessierten, hatten ansonsten nur die Möglichkeit, sich im privaten Kreis zu treffen, in Kaffee- und Gasthäusern zu sogenannten "musikalischen Tafelrunden" oder den "musikalischen Kollegien". Dort wurde musiziert und gesungen, was gerade in Mode oder neu auf dem Musikalienmarkt war. Gäste waren dabei gerne gesehen, vor allem, wenn sie sachkundig waren oder gar selbst ein Instrument spielen konnten.

Aus der Liebhaberei wurde recht bald schon Geschäft. Der durchreisende Virtuose verlangte ebenso Geld zu sehen, wenn er sich zu solchen Anlässen hören ließ, wie die Stadtmusiker, die zur Aushilfe die Liebhaber-Orchester unterstützten, der Inhaber der Räumlichkeiten und bisweilen auch der Komponist. Die Eintrittspreise waren beträchtlich: Die gutbetuchten Bürger wollten unter sich bleiben. In jedem Falle aber galt, daß derjenige, der zahlte, auch ein Recht auf Qualität hatte. Und so mußten denn die unberechenbaren "Dilletanten", kaum daß sie sich das Podium erobert hatten, den Platz auch schon wieder räumen und an die Berufsmusiker abtreten.

In Hamburg etwa war es der städtische Musikdirektor Georg Philipp Telemann, der dafür sorgte, daß in seinen öffentlichen Konzerten nur noch "Profis" auftraten - im Orchester ebenso wie als Solisten, und entsprechend schwierig waren die Partien angelegt - wie etwa im folgenden Doppelkonzert für Blockflöte, Traversflöte und Streicher.

Musik-Nr.: 04
Komponist: Georg Philipp Telemann
Werk-Titel: Doppelkonzert für Blockflöte, Traversflöte und Streicher
Auswahl: xx <Track 16.17.18.19.> 13:20
Interpreten: Michael Schneider (Blockflöte)
Wilbert Hazelzet (Traversflöte)
Label: DGG Archiv (LC 0113)
419 633-2
<Track 16.17.18.19.> Gesamt-Zeit: 13:20
Archiv-Nummer: ____
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Daß die bürgerliche Musikpflege im öffentlichen Bereich nur noch von Berufsmusikern ausgeübt wurde, gereichte der Musik aber nicht unbedingt zum Vorteil. Denn die zunftmäßig organisierten Berufsmusiker hatten ihre eigenen Vorstellungen vom Konzertbetrieb, wie es auch später Carl Philipp Emanuel Bach als Musikdirektor in Hamburg des öfteren zu spüren bekam. Auswärtige Solisten zu engagieren, war nahezu unmöglich, weil die einheimischen Musiker auf ihre Rechte pochten und sich weigerten, ?mit dahergelaufenen und wohlmöglich fremdländischen Galgenvögeln gemeinsam? aufzutreten. Was den Hamburgischen musikalischen Courier 1773 zu dem Kommentar veranlaßte:

Hierdurch leidet die Liebhaberei und der Reiz des Wettbewerbs, indem der Zunftmäßige kalt und gleichgültig bei der Musik bleibt, weil er weiß, daß er gesucht ist und bezahlt werden muß. Solche Zustände sind höchst unangenehm und traurig, da viele sich nach großen und schönen Konzerten sehnen und ihre Wünsche so selten erfüllt sehen können.

Aber war es mit der Sehnsucht nach großen und schönen Konzerten wirklich so weit her im Jahre 1773? Denn allzuviele Musikliebhaber scheint es zu jener Zeit in Hamburg gar nicht mehr gegeben zu haben. Eingie Wochen später jedenfalls beklagt sich ebenselbiger Hamburgische musikalische Courier, daß die Konzerte - auch diejenigen, die Carl Philipp Emanuel Bach veranstaltete - immer schlechter besucht seien:

Man geht lieber in die täglichen Gesellschaften, in Freudenhäuser und zu Schmausereien und verspielt und vertrinkt oft zehnmal mehr, als ein Konzertabend kosten könnte. Doch ist dies nun einmal ein eingerissenes Hamburger Übel, daß man lieber den eigenen Magen sich verdirbt als sein Ohr ergötzt, daß man lieber seinen eigenen Geldsäckel leert als den eines guten Musikus oder Künstlers füllen hilft.

Anlaß dieser Klage war eine Aufführung von einigen Streichersinfonien, die Carl Philipp Emanuel Bach im Auftrag des Wiener Barons Gottfried van Swieten geschrieben hatte - wobei van Swieten ausdrücklich darum gebeten hatte, Bach möge die Sinfonien komponieren, "ohne auf die Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen, die daraus für Ausübung notwendigerweise entstehen müssen."

Auch wenn nur eine Handvoll Musikinteressierter diese Sinfonien hörte, so lobte doch der Rezensent des Hamburgischen musikalischen Couriers

den originellen und kühnen Gang der Ideen, die große Mannigfaltigkeit und Neuheit in den Formen und Abweichungen. Schwerlich ist je eine musikalische Composition von höherem, keckerem und humoristischerem Charakter einer genialen Seele entströmt. Es ist zu bedauern und ein reeller Verlust für die Kunst, daß diese Meisterarbeiten nur von so wenig Interessierten wahrgenommen werden.
Musik-Nr.: 05
Komponist: Carl Philipp Emanuel Bach
Werk-Titel: Sinfonie für Streicher h-moll Wq 182,5
Auswahl: __ <Track 13.14.15.> __:__
Interpreten: The English Concert
Ltg.: Trevor Pinnock
Label: DGG Archiv (LC 0113)
415 300-2
<Track 13.14.15.> Gesamt-Zeit: __:__
Archiv-Nummer: ____
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