Mattheson: Der vollkommene Capellmeister

Teil 1, Kap. 10 [Seite 9 von 20]

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Motettenstil (2)

§. 49. Wenn wir von den besondern Gattungen der Melodien weiter unten handeln werden, soll sich schon Gelegenheit finden, ein mehrers hierüber, nicht ohne Nutzen, beizubringen. Denn wir betrachten hier nur die Schreib=Arten der Componisten überhaupt; an einem andern Orte aber wird man die darnach eingerichtete Stücke ins besondere ansehen. Indessen dürffte manchem heutigen Ton=Beflissenen, der vielleicht sein Tage keine ächte alte Motete erblicket hat, und deren ich viele kenne, mit einem kleinen Beyspiel hier nicht wenig gedienet seyn. Wir wollen ihm ein kurtzes aussuchen. Da ist es! <77>

[Notenbeispiel S. 76/77]

<78> §. 50. Ich habe deswegen ein nur dreistimmiges Exempel hergesetzt, damit ein Kunstverständiger, oder ein blosser Noten=Kenner sehe, wie schön und harmonisch die alten, lieben Leute zu Wercke gegangen sind, auch in so wenig Stimmen; welches eben die grösseste Kunst ist. Aber Kunst ist nicht Natur. Wenn dieser Styl dahin gedeien könnte, daß er die Leidenschafften und den wahren Sinn der Worte ausdrückte, so wäre seines gleichen nicht, und die Halbgelehrten sollten sich die Finger bald daran verbrennen. Doch wir müssen weiter gehen.

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