Mattheson: Der vollkommene Capellmeister

Teil 2, Kap. 13 [Seite 8 von 41]

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Duetto

§. 31. Bisher haben wir mit solchen Gattungen der Melodien zu thun gehabt, die für eine Stimme allein gesetzet werden, und die man Solos nennet. Nun gehen wir weiter und betrachten

VI. Das Duetto [FN: ...],

Dieses ist zwar auch eine Arie; aber gantz andern Schlages, als die Solos: denn sie siehet, nebst einer angenehmen Melodie, auf ein fugirtes oder concertirendes und sonderbar=harmoniöses Wesen. Dazu nun gehöret Kunst und Arbeit. Das Duetto, oder die Arie mit zwo Sing=Stimmen wird entweder auf welsche, oder auf frantzösische Art eingerichtet. Wir wollen von ieder Art einen kleinen Begriff geben.

§. 32. Die frantzösischen Airs à deux lieben den gleichen oder geraden Contrapunct vorzüglich, das ist zu sagen, wo die eine Stimme eben die Worte, zu gleicher Zeit singet, als die andre, und wobey entweder gar nichts, oder nur hie und da etwas weniges ungerades oder concertirendes, das hinter einander herschleicht, anzutreffen ist. Es lassen sich dergleichen Duo, absonderlich in Kirchen, wol hören: sie sind vornehmlich andächtig und begreiflich.

§. 33. Der welschen Art gehet nun zwar bey ihren Duetten viel an den erwehnten guten Eigenschafften der Andacht und Deutlichkeit, durch das fugirte, gekünstelte und in einander geflochtene Wesen ab; sie erfordern aber einen gantzen Mann, und sind sowol in der Kammer, als Kirche (vormahls, zu Steffani Zeiten, auch auf den Schau=Platz) den musicalisch=gelehrten Ohren eine grosse Lust, wenn sich fertige, sattelfeste Sänger dazu finden lassen: woran es uns anitzo weniger, als an solcher Arbeit selbst, mangelt. Besagter Steffani hat sich in dieser Gattung vor allen andern, die ich kenne, unvergleichlich hervor gethan, und verdienet bis diese Stunde ein Muster zu seyn. Denn solche Sachen veralten nicht leicht.

§. 34. Noch eine kleine Neben=Art welscher Duetten, worin nur gefraget und geantwortet wird, <216> wie in einem Gespräche, will heut zu Tage fast, zumahl auf den Opernbühnen, einigen Vorzug behaupten. Ich habe davon, und von Duetten insgemein, an einem andern [FN: ...] Orte bereits meine Gedancken zur Genüge entdecket, und kan deswegen hier desto kürtzer verfahren.

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