Mattheson: Der vollkommene Capellmeister

Teil 2, Kap. 13 [Seite 25 von 41]

zurück | weiter
Entrée

§. 98. Mit dem auf Zug und Wachten so nützlichem Spiel hat eine ziemlich=nahe Verwandschafft und doch einen besondern Gattungs=Unterschied

Vl. Die Entrée.

Es muß bey derselben das erhabene und majestätische Wesen allerdings Statt finden; aber sie darff doch so gar hochtrabend nicht einhergehen. Hergegen hat die Entree mehr scharffes, punctirtes und reissendes an sich, als sonst irgend eine andre Melodie; wobey zugleich die Ebenträchtigkeit der Marsche fehlet, oder in etwas abgehet. Ihre herrschende Eigenschafft ist die Strenge, und der Zweck, daß sie die Zuhörer zu solcher Aufmercksamkeit reitzet, als ob recht was fremdes oder neues vorgebracht werden sollte.

§. 99. Die zwo Abtheilungen, wo man die Sätze wiederholet, können bey einer Entree wol etwas länger seyn, als bey einem Marsch: jene leidet auch die ungerade Anzahl der Täcte, weil ihr Wesen nicht fliessend, sondern etwas störrisch ist; dieser hergegen gibt solches durchaus nicht zu, sondern will einen genauen geometrischen Verhalt haben. Ferner macht man auch gerne die beiden Wiederholungs=Theile der Entree ungefehr von einerley Länge; beym Marsch aber ist gemeiniglich der erste dieser Theile kürtzer, als der andre, und was dergleichen noch nie bemerckter Unterschied mehr seyn mag, welchen die Gegenhaltung beider Melodien, nach dieser Anleitung, desto leichter entdecken wird.

§. 100. Eine iede Tantz=Melodie heißt zwar sonst bey den Frantzosen mit dem allgemeinen Nahmen eine Entrée; voraus wann sie bey Schauspielen zu Aufzügen dienet, und die Banden einführet. Aber im besondern Verstande ist es eine solche hyporchematische Gattung, nach welcher offt auch nur eine eintzige Person, mit der grössesten Kunst, Stärcke und Geschicklichkeit, gantz ernsthafft tantzet.

§. 101. Noch eines ist hiebey zum Abzeichen und zum erstenmahl anzumercken, daß nehmlich der Anfang einer Entree, um ihre Ansehnlichkeit desto besser zu zeigen, bisweilen mit der Oberstimme gantz allein gemacht, und der Baß erst, wenn er pausirt hat, nachahmend eingeführet wird, fast auf die Weise, wie offt bey Ouvertüren zu geschehen pfleget. Doch muß die Pause des Basses bey beiden nicht über einen Tact betragen.

zurück | weiter
nach oben