Nicolai: Musik & Artzneygelahrtheit

§. 6. Von den Verhältnissen der Consonantien, und dem Farbenclavecymbel.

<10> Bey dem Unisono ist die Verhältniß 1 zu 1, bey der Octave 2 zu 1, bey der Quinte 3 zu 2 etc. [Siehe] §. 4. Man sieht also wohl, daß sich die Consonantien durch kleine Zahlen ausdrucken lassen. Man halte die Dissonantien dagegen als die Septime und falsche Quinte, so wird man finden, daß ihre Verhältniß gantz anders beschaffen ist. Bey der ersten ist die Verhältniß 15 : 8, bey der letztern aber 64 : 45. Ich bilde mir demnach ein, daß die Consonantien deswegen gefallen, weil die Seele ihre Verhältnisse leicht übersehen, und derselben Vollkommenheit sich lebhafter vorstellen kan, darüber sie nothwendig ein Vergnügen empfinden muß. Bey den Dissonantien kan sie dieses nicht thun. Ihre Verhältnisse sind so beschaffen, daß sie ihr mehr Schwierigkeit verursachen, wenn sie sich dieselbe vorstellen will, sie setzen sie in Verwirrung, welches nothwendig ein Mißvergnügen nach sich läßt. Es ist dieses ein Gedancke, den ich eben nicht vor gantz gewiß ausgeben will. Indessen lehret doch die Erfahrung so viel, daß dieienige Verhältnisse, welche die Consonantien haben und dem Gehör gefallen, auch das Gesicht vergnügen. Die Schönheit des menschlichen Körpers beruhet vornemlich auf der Verhältniß der Theile, und man findet, daß sie an einer wohlgestalten <11> Person eben die Verhältniß haben, welche bey den Consonantien in der Musik statt findet. Man sagt, ein Hauß ist nicht schön, weil es nicht nach den Regeln der Symmetrie gebauet ist. Was erfodern aber diese Regeln anders, als daß die auswendigen Theile des Hauses eben die Verhältniß haben sollen, welche sich bey den Consonantien befindet? Solchergestalt richtet sich das Gesichte in Beurtheilung der Schönheit nach eben den Gesetzen, welche das Gehör in Acht nimmt, und es ist sehr wahrscheinlich, daß sie auch bey den übrigen Sinnen statt finden. Doch ich will mich hierbey nicht länger aufhalten, sondern nur dasienige anmercken, was sich hieraus weiter schliessen läßt. Ich habe gesagt, daß das Gesicht mit dem Gehör in Beurtheilung der Schönheit einerley Gesetze beobachtet. Nun ist bekannt, daß eine gewisse Vermischung von den sieben Farben dem Augen weit angenehmer sey als eine andere. Es ist ferner gewiß, daß die sieben Farben des Sonnenlichts ihrer Wirkung nach verschieden sind. Sollten also nicht die Stralen einer angenehmen zusammengesetzten Farbe nicht nach eben der Verhältniß in das Auge wirken, welche die Consonantien unter sich haben? Und wäre es nicht möglich, eine Maschine zu erfinden, dadurch man vermittelst der Vermischung der sieben Farben das Auge eben so, wie das Gehör durch die Vermischung und Abwechselung der sieben Tone in der Musik ergötzte? <12> Kurtz, könnte man nicht ein Farbenclavecymbel verfertigen? Daran ist gar kein Zweife. Der vortrefliche Herr Professor Krüger hat hiervon eine sehr gelehrte Abhandlung, welche in den siebenden Theil der Miscellan. Berolin. 1743 befindlich ist, geschrieben und zugleich eine Beschreibung von der Verfertigung dieser Maschine beygefüget.

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