Quantz: Anweisung- Kap. 17

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<253> §. 28. Ein Hauptsatz, (Thema) zumal in einer Fuge, muß in einer jeden Stimme, und zu allen Zeiten wenn er unvermuthet eintritt, mit Nachdrucke markiret werden; besonder wenn der Anfang davon aus langen Noten bestehet. Es findet dabey weder eine Schmeicheley im Spielen, noch einiger willkührlicher Zusatz von Noten statt. Wenn im Fortgange der Fuge keine Pausen vor dem Eintritte vorhergehen; kann man die vorhergehenden Noten in der Stärke des Tones etwas mäßigen. Auf gleiche Art muß man mit solchen Noten, die entweder eine Aehnlichkeit mit den Anfangsgedanken haben, oder die erste in der Mitte eines Stücks, als ein neuer Gedanke, eingeflochten werden, es sey im Tutti, oder unter dem Solo einer concertirenden Stimme, verfahren.

[...]

<254> §. 32. Einige halten das Zögern oder Nachschleppen, (trainiren) oder das Eilen, (pressiren) für einen Naturfehler. Es ist wahr daß das herrschende sogenannte Temperament viel dazu beyträgt: und daß ein lustiger oder hitziger und hastiger Mensch zum eilen, ein trauriger, niedergeschlagener, oder ein träger kaltsinniger Mensch aber, zum Zögern geneigt ist. Es ist aber auch nicht zu läugnen, daß man sein Temperament, wenn man anders darauf Acht hat, verbessern und mäßigen könne. Man hüte sich nur, daß zu den gedachten Fehlern nicht etwan die Unwissenheit Anlaß gebe. [...]

§. 33. [...]

§. 34. Die Pausen erfodern ihr Zeitmaaß in eben solcher Richtigkeit, als die Noten selbst. Weil man aber hierbey keinen Klang höret, sondern die zeit davon nur in Gedanken abmessen muß, so machen dieselben, besonders die kurzen, als Achttheil= Sechzehntheil= und Zwey und dreyßigtheil=Pausen, manchem viel zu schaffen. Wenn man sich aber die Hauptnoten in einem Stücke heimlich mit dem Fuße anmerket; und auf die Bewegung der übrigen Stimmen, ingleichen, ob die Noten, so nach den Pausen folgen, auf den Niederschlag oder auf das Aufheben des Fußes treffen, genau Achtung giebt, dabey aber sich nur nicht übereilet: so kann diese Schwierigkeit sehr leicht gehoben werden.

<256> §. 35. Soll ein Stück eine gute Wirkung thun; so muß es nicht nur in dem ihm eigenen Zeitmaaße, sondern auch, vom Anfange bis zum Ende, in einerley Tempo, nicht aber bald langsamer bald geschwinder gespielet werden. Daß aber hierwider sehr oft gehandelt werde, zeiget die tägliche Erfahrung. Langsamer oder geschwinder aufzuhören als man angefangen hat, ist beydes ein Fehler: doch ist das letztere nicht so übel als das erstere. Jenes verursachet, absonderlich bey einem Adagio, daß man oftmals nicht mehr recht begreifen kann, ob es im geraden oder ungeraden Tacte gesetzet sey. Hierdurch nun verlischt die Melodie nach und nach; und man höret, an deren statt, fast nichts als harmonische Klänge. Dieses aber verursachet den Zuhörern nicht allein nur gar wenig Vergnügen; sondern es gereichet auch der Composition selbst überhaupt zum größten Nachtheile, wenn nicht ein jedes Stück in seinem gehörigen Tempo gespielet wird. [...]

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<258> §. 43. Wie lange man nach einer Fermate, oder Generalpause, welche durch einen Bogen, mit einem Puncte, über eine Note oder Pause angedeutet wird, innehalten solle, ist eigentlich keine gewisse Regel gegeben. Bey einem Solo, welches nur unter zwo oder drey Personen gespielet wird, verursachet diese Ungewißheit wenig Nachtheil, bey einem zahlreichen Accompagnement aber, desto mehr. Nach einer kleinen Stille, müssen alle Stimmen, eben sowohl, wie es beym Anfange eines Stückes erfodert wird, zugleich wieder mit einander anfangen. Geschieht <259> dieses nicht von allen recht genau: so wird der Entzweck der Ueberraschung, so man hier nach einer kleinen Ruhe erwartet, nicht erreichet. Ich will versuchen, eine aus den verschiedenen Tactarten hergeleitete Regel, die nur an wenigen Orten eine Ausnahme leiden dürfte, fest zu setzen, und vorzuschlagen, nämlich. Bey allen Tripeltacten, wie auch im Allabreve und im Zweyviertheil=Tacte pausire man, außer dem Tacte worüber das Ruhezeichen steht, noch einen Tact mehr. Im gemeinen geraden Tacte hingegen, richte man sich nach den Einschnitten, ob solche in das Aufheben oder in das Niederschlagen des Tacts fallen. Bey den erstern kann man noch einen halben; bey den letztern aber noch einen ganzen Tact mehr pausiren: und dieses wird, wie ich glaube, genug, und der Absicht des Componisten gemäß seyn. [...]

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