Riemann: Klavierschule op. 39,1

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Kap. 12 [Seite 6 von 10]

Nach eingehender Prüfung der bezüglichen theoretischen Litteratur, <69> gewissenhafter Beobachtung der Praxis und Analyse der ästhetischen Wirkung muss ich meine Ansicht dahin präcisiren, dass der kurze Vorschlag stets mittelst eines Prallschlags, d.h. Staccato-Anschlags zu geben ist, nur dass die Hauptnote so schnell folgt, dass das Staccato als solches nicht mehr kenntlich bleibt, Durch das Bestreben, die Vorschlagsnote staccato zu spielen, wird die für eine gute Wirkung unerlässliche Deutlichkeit erzielt. Dasselbe gilt für die aus mehreren Tönen bestehenden anschlagenden Verzierungen (Pralltriller, Mordent, Schleifer, Anschlag, anschlagender Doppelschlag etc. nur mit der Reserve, dass nicht jede einzelne Note mittels eines besonderen Prallschlags herausgebracht wird, sodann alle mittels eines und desselben unter möglichst schnellem Zurückziehen der Finger nach dem Anschlag. Der Prallschlag bedingt die Accentuirung, die indess modificationsfähig ist und bei den drei- und mehrtönigen Verzierungen nach Belieben crescendo oder diminuendo gegeben werden kann:

Notenbeispiel S. 69, Nr. 1

Allerdings erfordert die Beherrschung der verschiedenen Dynamik solcher Verzierungen bereits wohl ausgespielte Finger. Diese Erkenntniss der Möglichkeit gegensätzlich verschiedener Schattirung ist von Bedeutung, da je nach Umständen die eine oder die andere Art des Ausdrucks den Vorzug verdient, wie sich aus den einander widersprechenden Bestimmungen der Theoretiker von vornherein vermuthen lässt.

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