Koch: Musikalisches Lexikon

Anschlag. Anschlagende Noten.

<150> Man verstehet darunter solche Noten, die auf die guten Taktzeiten fallen, und die den nachschlagenden oder durchgehenden entgegen gesetzt werden. Die anschlagenden Noten werden auch innerlich lange, oder accentuirte Noten genannt, weil sie den langen und kurzen Sylben der Wörter ähnlich sind.

Auf den Anschlag fällt jederzeit das Taktgewicht oder der Accent, gemeiniglich aber auch zugleich der Wechsel der Harmonie; daher müssen die im Anschlage stehenden Noten nicht allein im Vortrage mehr ausgezeichnet, sondern auch im Satze selbst sorgfältiger behandelt werden, als die nachschlagenden, die wegen des Mangels an Nachdruck weniger Einfluß auf die Harmonie haben. Vieles, was daher im Satze in dem Anschlage verboten ist, wird im Nachschlage für zuläßig angesehen.

Man nennet aber nicht immer blos diejenigen Noten den Anschlag, die auf die guten Hauptzeiten des Taktes fallen, wie z.B. in dem 2/4 Takte auf das erste, und im 4/4 Takte auf das erste und dritte Viertel; sondern es werden auch die Zergliederungen der Takttheile in Noten von geringerem Werthe darunter verstanden; denn wenn z.B. die beyden Viertel eines 2/4 Taktes in vier Achtel zergliedert werden, ist das erste und dritte anschlagend, das zweyte und vierte hingegen ist nachschlagend, so wie überhaupt unter allen geradzähligen Noten von gleicher Gattung die erste, dritte, fünfte, u.s.w. anschlagend, die zweyte, vierte, sechste aber u.s.w. nachschlagend sind, ausgenommen bey Triolen, bey welchen der Anschlag auf die erste, der Nachschlag aber auf die beyden letzten Noten derselben fällt.

Unter dem Anschlage verstehet man auch noch insbesondere bey der regulären Behandlung der Dissonanzen, <151> die eigentliche Ausführung der Dissonanz im guten Takttheile. Der Gebrauch der Dissonanzen erfordert nemlich drey Stücke,

  1. die Vorbereitung, das heißt, den Ton, welcher als Dissonanz gehört werden soll, muß zuvor in der schlechten Taktzeit als Consonanz gehört werden;
  2. den Anschlag, das ist, den Eintritt desjenigen Tones in einer andern Stimme, wodurch in der guten Taktzeit die vorbereitete Note zur Dissonanz wird, und
  3. die Auflösung, oder den stufenweisen Fortschritt der Dissonanz in eine Consonanz.

Mit dem Worte Anschlag wird auch zuweilen diejenige Spielmanier bezeichnet, die man gewöhnlicher den Doppelschlag nennet, und die aus zwey einer melodischen Hauptnote vorhergehenden Vorschlägen bestehet, deren einer eine Stufe unter der Hauptnote, der andere aber eine Stufe über derselben liegt; z.B.

Notenbeispiel Sp. 151, Nr. 1

Zuweilen bestehet der erste dieser beyden Vorschläge auch aus einer Note, die mehr als eine Stufe tiefer liegt, als der Hauptton; z.E.

Notenbeispiel Sp. 151, Nr. 2
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