Koch: Musikalisches Lexikon

Geschmack.

<669> Ueber den Begriff dieses Wortes, besonders aber über die Art, wie bey der Wirksamkeit des Geschmacks sich die Kräfte unserer Seele thätig zeigen, herrscht unter den Aesthetikern noch eine auffallende Verschiedenheit, besonders seit Kant in seiner Kritik der Urtheilskraft auch über diesen Gegenstand einen besondern Weg eingeschlagen ist. Es sey daher hinreichend, wenn ich über diesen Gegenstand bloß einen Auszug aus dem Artikel Geschmack aus dem Sulzerschen Werke hier einrücke, und sodann die Schriften anzeige, die sich vorzüglich über diesen Gegenstand verbreiten.

"Der Geschmack," sagt Sulzer, "ist im Grunde nichts anders als das Vermögen das Schöne zu empfinden, so wie die Vernunft das Vermögen ist, das Wahre, das Vollkommene und Richtige zu erkennen; das sittliche Gefühl, die Fähigkeit das Gute zu fühlen. Bisweilen aber nimmt man das Wort in einem engern Sinne, nach welchem man nur den Menschen Geschmack zueignet, bey denen dieses Vermögen sich schon zu einer gewissen Fertigkeit entwickelt hat."

"Man nennt dasjenige Schön, was sich ohne Rücksicht auf irgend eine andere Beschaffenheit, unsrer Vorstellungskraft auf eine angenehme Weise darstellt; was gefällt, wenn man gleich nicht weiß, was es ist, noch wozu es dienen soll. Also vergnügt das Schöne nicht deswegen, weil der Verstand es vollkommen, oder das sittliche Gefühl es gut findet, sondern weil es der Einbildungskraft schmeichelt, weil es sich in einer gefälligen, angenehmen Gestalt zeiget. Der innere Sinn, wodurch wir diese Annehmlichkeit genießen, ist der Geschmack. Wenn die Schönheit etwas Wirkliches ist, und nicht bloß in der Einbildung besteht, so ist auch der Geschmack ein in der Seele wirklich vorhandenes und von jedem andern unterschiedenes Vermögen, nemlich das Vermögen <670> das Schöne anschauend zu erkennen, und vermittelst dieser Kenntniß Vergnügen daran zu empfinden. So weit sich die Natur des Schönen erkennen und zergliedern läßt, so weit kann man auch die Natur des Geschmacks deutlich erkennen. Wo die Zergliederung nicht mehr statt findet, da ist der Geschmack ein bloß mechanisches Gefühl, dessen Grund sich nicht entwickeln läßt."

"- Man kann dieses Vermögen der Seele in einem zweyfachen Gesichtspunkte betrachten, wirkend, als ein Werkzeug des Künstlers, womit er wählt, ordnet und ausziert; bey dem Liebhaber ist es genießend, indem es Vergnügen erweckt -"

"Der Künstler von Geschmack sucht jedem Gegenstande, den er bearbeitet, eine gefällige, oder der Einbildungskraft sich lebhaft darstellende Form zu geben. - Der Verstand und das Genie des Künstlers geben seinem Werke alle wesentliche Theile, die zur innern Vollkommenheit gehören, der Geschmack aber macht es zu einem Werke der schönen Kunst, u.s.w."

Die neuesten über diesen Gegenstand sich verbreitenden Schriften sind folgende: Versuch über den Geschmack, und die Ursachen seiner Verschiedenheit. Mietau 1776 - von Marc. Herz. - Schotts Theorie der schönen Künste. - Kants Kritik der Urtheilskraft; siehe das dritte Buch. - Von dem Geschmacke in der Musik insbesondere handelt der Essai sur le bon goût en musique, p. Mr. Grandval, von dem sich eine deutsche Uebersetzung in Marpurgs kritisch. Musikus an der Spree findet.

zurück
nach oben