Koch: Musikalisches Lexikon

Nationalmusik.

(Erster Anhang.)

<1783> Darunter verstehet man eine Musik, die jedes Volk, jede Nation für sich allein besitzt, und aus welcher der Charakter und die Sitten des Volkes deutlich hervorragen. So hatte in Griechenland jeder Stamm seine eigene Nationalmusik, die sich durch ihren Charakter merklich von der Musik der übrigen Stämme unterschied. Dieses Unterscheidende bestand vermuthlich nicht bloß in der Art der Tonleiter, und der daraus entstehenden Modulation, sondern es läßt sich vermuthen, daß auch Rhythmus und Bewegung bey jedem Volke oder Stamme seine Eigenheiten gehabt habe. Wir haben davon noch jetzt einige Beyspiele an den Nationalmelodien einiger neuen Völker, die, so mannigfaltig sie auch sonst, jede in ihrer Art, sind, allemal einen Charakter behaupten, der sie von den Gesängen andrer Völker unterscheidet. Ein schottisches Lied ist jederzeit von einem französischen, und beyde von einem italiänischen oder deutschen, so wie jedes von dem gemeinen Volke gesungen wird, merklich verschieden.

Wenn ehedem die Jugend jeder Nation bloß in ihren eigenen Nationalgesängen geübt wurde, so konnte es nicht wohl anders seyn, als daß die Gemüther allmählig die Eindrücke ihres besondern Charakters annehmen mußten. Denn eben aus solchen wiederholten Eindrücken von einerley Art entstehen überhaupt die Nationalcharaktere. Gegenwärtig hat sich unter den verschiedenen Völkern von Europa das Nationale in der Musik größtentheils verloren. Nur hie und da findet man bey dem rohen Landvolke noch dergleichen Nationalgesänge. -

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