Koch: Musikalisches Lexikon

Orchestrion.

<1101> Diesen Namen hat man zwey verschiedenen Instrumenten gegeben, die in den letzten Jahrzehnten des verwichenen Jahrhunderts erfunden worden sind.

Das erste ist eine von dem Abt Vogler erfundene tragbare Orgel, die nach seiner Angabe in Holland erbauet worden ist, und auf welcher er sich in dem Monate November 1789 in Amsterdam zum erstenmal öffentlich hören ließ. Sie bestehet aus vier Clavieren, jeden von 63 Tasten, und aus 39 Pedaltasten. Das Gehäuse stellt einen Cubus von 9 Schuh vor, und das Werk, welches keine Gesichtspfeifen hat, gleicht an Stärke des Tones einer sechzehnfüßigen Kirchenorgel. Es enthält ein Crescendo und ein Diminuendo für alle Stimmen, und eine äußerst pünktliche Temperatur. Im Jahre 1796 kam der Erfinder mit diesem Instrumente in Stockholm an, wo er die königl. Capellmeisterstelle bekleidete, und der Effekt dieses Instrumentes wurde von daher außerordentlich gerühmt. Es erhielt von dem Erfinder den Namen Orchestrion, weil es alle Instrumente nachahmt, und ein vollständiges Orchester vorstellt.

Das zweyte mit diesem Namen bezeichnete Instrument ist ein Fortepiano mit einem Orgelwerke verbunden, welches von einem Tonkünstler in Prag, mit Namen <1102> Thomas Anton Kunz, erfunden, und nach dessen Angabe von den Gebrüdern Still, Instrumentmachern in Prag, in den Jahren 1796 bis 1798 verfertigt worden ist. Im sechsten Stück der Leipz. allg. musikalischen Zeitung vom Jahre 1798 giebt der Erfinder selbst von diesem Instrumente1 folgende Beschreibung:

Das flügelförmig gestaltete Fortepiano ist nur um 14 Pariser Zoll länger und 13 Zoll höher als ein gewöhnliches; denn die Höhe des Kastens beträgt 3 Schuh 9 Zoll, die Länge 7 Schuh 6 Zoll, die Vorderbreite 3 Schuh 2 Zoll, die Hinterbreite 7 Zoll. - Die zwey Manual-Klaviere, jedes vom Contra F bis zum dreygestrichenen a und 65 Tasten, und das Pedal-Klavier, vom 16 füßigen C bis c zwey Fuß durch alle Töne und 25 Tasten, sind von Ebenholz und Elfenbein. Alle diese Klavier können allein, oder mit Verbindung der Pfeifen, oder auch diese wieder allein gespielt werden. Sie spielen sich ungemein leicht und richtig. Die Koppelzüge und der Lautenzug am Fortepiano sind beym c" gebrochen, doch der Pedallautenzug nicht. Die Dämpfung am Fortepiano ist zum Verschieben. Rechts und links stehen unterhalb der Klaviaturen die Registerknöpfe. Das Fortepiano liegt oben auf, das Pfeifwerk ganz frey auf einer gekröpften Windlade in der Mitte, das Pedal am Boden. - Die Wirkung ist im Tutti überraschend, voll, und prächtig, ohne lärmend, oder orgelartig zu seyn; und in einzelnen Veränderungen, worunter die Waldhörner, Flautotravers, der Fagott, der Glaston mit seinen Bebungen, Wachsen, Abnehmen und Verlöschen, nebst verschiedenen andern gehören, ist höchst angenehm und schmelzend. Vorzüglich ist das Crescendo (der Schweller) vom leisesten Gelispel bis zum stärksten, dem Werke angemessenen Forte, merkwürdig und im tiefsten wie im höchsten Tone des Orgelwerks durchaus anwendbar. Das ganze Werk enthält <1103> 239 Saiten und 360 Pfeifen, läßt sich 105 mal deutlich verändern, und gewährt die Wirkung eines ganzen Orchesters, die Geigen ausgenommen - den Violon nicht. Doch läßt das Fortepiano die ersten auch nicht sehr vermissen. - Die abseits verborgen liegenden 1 1/2 Elle langen und 1 Elle breiten Spanbälge werden entweder durch Menschenhände, oder durch eine neue besondere Maschine gezogen, u.s.w.

Fußnoten:

Fußnote 1 (Sp. 1101/1102):

Dieses Instrument war eigentlich schon im Jahre 1791 erfunden, und von dem Erfinder an einen Freund überlassen worden. Das oben angezeigte Instrument wurde aber nach einem mehr vervollkommneten Piano gearbeitet.

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