Koch: Musikalisches Lexikon

Stretto,

<1448> (enge) wird

  1. zur Bezeichnung derjenigen Stellen in dem Verfolge eines Fugensatzes gebraucht, wo das Thema in den folgenden Stimmen eintritt, ehe es die vorhergehenden ganz geendigt haben, oder wo es in engern Nachahmungen zum Vorscheine kömmt. In einer gut gearbeiteten Fuge muß dieses jederzeit geschehen, nachdem der Hauptsatz nach der gewöhnlichern Art einigemal durchgeführt worden ist, damit theils die immer sich gleichen Repercussionen dem Ohre nicht lästig werden, theils und hauptsächlich auch, damit das Ganze in Ansehung der Wirkung mehr steige. Hat der Tonsetzer ein Thema gewählt, welches mehrere Arten der engen Nachahmung zuläßt, so läßt er die Stimmen, je mehr sich <1449> die Fuge ihrem Schlusse nähert, in immer engern Nachahmungen des Hauptsatzes eintreten.
     
    Das Wort stretto wird
  2. auch in Tonstücken gebraucht, die in der freyen Schreibart gesetzt sind. In diesem Falle braucht es der Tonsetzer zuweilen bey lang ausgeführten Tonstücken gegen das Ende derselben, wenn er die Wirkung des Ganzen auf einmal erhöhen will. Hier hat es mit stringendo einerley Bedeutung, und zeigt an, daß das Zeitmaaß geschwinder genommen werden soll.

Viele Anführer der Orchester sind gewohnt, von der Stelle an, wo dieser Ausdruck stehet, das Tempo nur nach und nach an Geschwindigkeit zunehmen zu lassen; ohne Zweifel ist dieses aber der Meinung der mehresten Tonsetzer entgegen, die sich, wenn das Zeitmaaß nicht auf einmal, sondern nur nach und nach geschwinder werden sollte, gewiß eines bestimmtern und der Sache angemessenern Ausdruckes bedient haben würden.

zurück
nach oben