Koch: Musikalisches Lexikon

Tonart (Ausschnitt)

[...] <1552> Ob nun gleich unsere 24 Tonarten weiter nichts sind, als Versetzungen der beyden Haupttonarten auf andere Grundtöne, so verursacht dennoch theils die schwebende Temperatur der Töne, theils auch das Eigenthümliche verschiedener Instrumente, daß jede dieser 24 Tonarten eine ganz eigene Schattirung bekömmt, wodurch sie sich <1553> von den übrigen gar merklich auszeichnet; daher haben einige dieser Tonarten mehr Fülle und Einschneidendes, andere mehr Sanftheit und dergl. Eigenschaften. Eben daher ist es aber auch nicht gleichgültig, ob der Tonsetzer zum Ausdrucke einer bestimmten Empfindung die harte oder weiche Tonart auf diesem oder jenem Grundtone ausübt. Weil jede Tonart ihre eigene Tonleiter hat, die sich wegen der Temperatur der Töne in Ansehung der Verhältnisse ihrer Stufen bald mehr, bald weniger, von allen andern Tonarten unterscheidet, so kann es nicht fehlen, daß dadurch auch jede dieser Tonarten ihren eigenthümlichen Charakter bekomme, der gegen die andern Tonarten mehr oder weniger absticht. Den Charakter dieser Tonarten kann man ohne Schwierigkeit übersehen lernen, wenn man sowohl die harten als weichen Tonarten nach den Graden ordnet, in welchen die Verhältnisse ihrer Intervallen (nach Maaßgabe der Temperatur) von den ursprünglichen Intervallen-Verhältnissen abweichen; [FN: Siehe die dem Artikel Tonleiter beygefügte Tabelle] nemlich

unter den Durtonarten sind
C. G. D. F. am reinsten;
A. E. H. Fis. härter; und
B. Es. As. Des. am härtesten;
unter den Molltonarten sind
A. E. H. D. am reinsten
Fis. Cis. As. Des. weicher; und
C. G. F. B. am weichsten.

"Es ist gewiß," sagt Sulzer, [FN: Allg. Theorie de schönen Künste, Art. "Ton"] "daß die reinsten Töne zum pathetischen Ausdrucke wenig geschickt, hingegen zur Belustigung, zum lärmenden und kriegerischen, zum gefälligen, zärtlichen, scherzhaften, oft zum bloß ernsthaften Ausdrucke am besten zu gebrauchen sind. Die weniger reinen Töne sind nach dem Grade ihrer wenigern Reinigkeit allezeit wirksamer zu vermischten Empfindungen, deren Ausdruck in den härtesten Dur- und den weichsten Molltönen von der gewaltsamsten Wirkung ist. Hieraus erhellet hinlänglich, daß der Tonsetzer nicht bloß in der Wahl der Tonart, ob er die harte oder weiche zu nehmen habe, sondern auch des Tones selbst, sorgfältig seyn müsse. Die Stücke derer, die eine solche sorgfältige Wahl getroffen haben, lassen sich deswegen nie ohne Schaden in andere Töne versetzen, deren Reinigkeit merklich von der verschieden ist, nach der sie ursprünglich gesetzt worden."

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