Sulzer: Theorie der Schönen Künste

Arioso.

<214 li> Ein sehr einfacher Gesang, der noch als ein sich auszeichnender Theil des Recitativs kann angesehen werden. Wenn nämlich in dem Recitativ etwas vorkömmt, das in einer mehr abgemessenen Bewegungen soll vorgetragen werden, als das übrige; ein Wunsch, einen Teil lehrreicher Spruch, ein rührendes Gemählde, dabey man sich aber nicht lange aufzuhalten hat: so verändert Tonsetzer den ungemeßnen Gang des Recitatives, und giebt dem Gesang einen deutlich bemerkten Takt. Die Worte werden selten oder gar nicht wiederholt; es kommen darinn keine Läufe, keine Schlußcadenzen, keine Zergliederungen der Ausdrüke vor. Mithin ist <214 re> das Arioso eine höchst einfache Arie. Es thut sehr gute Würkung, indem es das, was ein langes Recitativ zu langweiliges haben könnte, angenehm unterbricht, und mit dem ausgearbeiteten der Arie einen zufälligen Contrast macht. Zu einem stillen feyerlichen Empfindung scheint das Arioso weit tüchtiger zu seyn, als alle andere Gesangarten; und eine furchtsame Aeußerung seiner Gesinnungen kann nicht wol anders, als durch dasselbe ausgedrükt werden. Ueberhaupt dienet es zu allen stillen und wenig wortreichen Empfindungen. So wie der Tonsetzer das Arioso mit viel Einfalt setzet, so muß auch der Sänger sich in dem Vortrag der äußersten Einfalt, mit dem besten Nachdruk verbunden, befleißen.

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