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Hiller: Lebensbeschreibungen berühmter Musikgelehrten

Benda (Franz)

Königl. Preussischer Concertmeister.

[1. Teil: Jugendzeit in Prag]

<30> Ist am 25. November 1709 zu Alt-Benatky in Böhmen geboren. Sein Vater, Hanß George Benda, war Altmeister der Leinweberzunft, aber dabey der Musik nicht unkundig; denn er spielte auf dem Hackebrete, der Hoboe und Schalumo. Die Mutter, Dorothea, war die Tochter eines Schulmeister, Namens Brixy.

Ungefähr im siebenten Lebensjahre lernte Franz Benda das Singen, bey dem Cantor zu Neu-Benatky. Dieser hieß Alexius, und war kein ungeschickter Componist, ein guter Orgelspieler, und sang den Baß.

Im Jahr 1718 wurde Benda, durch einen seiner Vettern Brixy, nach Prag, bey den Benedictinern, an der Kirche St. Nicolai, als Sopranist in Dienste gebracht. Dieser Brixy war Bendas mütterlichen Großvaters Bruders Sohn, und ein, zu damaliger Zeit, guter Kirchencomponist. Benda nahm in kurzer Zeit im Singen so zu, daß er nach Einem Jahre seines dasigen Aufenthalts allen andern Sopranisten in Prag vorgezogen wurde.

<31> Ein gewisser Prager Student hatte den Auftrag bekommen, für die Dresdner Kirchenmusik in der Hofkapelle, wo rhan damals noch keine Castraten, sondern nur die sogenannten Kapellknaben zur Ausführung der hohen Singstimmen hatte, den besten Sopranisten in Prag in Dienste zu nehmen. Natürlicher Weise fiel die Wahl auf unsern Benda; doch wurde die Unterhandlung mit ihm, um nicht Verdacht zu erwecken, heimlich getrieben. Die Patres merkten dem ohngeachtet etwas davon; sie nahmen also dem jungen Benda den Oberrock weg, und erlaubten ihm nicht anders als in der Weste herum zu gehen: so daß er auch in die lateinische Schule der Jesuiten, die er damals besuchte, nicht anders als in der Weste, mit dem Mantel darüber, gehen durfte. Endlich aber brachte ihn das unabläßige Zureden des Studenten dahin, daß er, wegen Mangel des Geldes, seine Schulbücher verkaufte, und ohne Rock mit ihm heimlich davon und nach Dresden ging. Hier wurde er wohl aufgenommen, und sogleich neu gekleidet. Nach etwan anderthalb Jahren kam ihm die Lust an, wieder nach Böhmen zurück zu kehren; und da man ihn nicht gutwillig gehen lassen wollte, so faßte er wieder bey sich selbst einen kurzen Entschluß. Er dingte sich bey einem Schiffer, der auf der Elbe nach Leutmeritz fuhr, auf, und <32> begab sich heimlich mit ihm davon. In Pirna wurde übernachtet. Als sie nun den folgenden Morgen weiter fahren wollten, sahe Benda, zu seinem großen Erstaunen, zween, von Dresden aus, ihm nachgeschickte Männer vor sich, die ihn sogleich, mit Gewalt, wieder nach Dresden zurück führten. Diese Reise auf dem Wasser, und die Kälte der vorigen Nacht, hatten einen so übeln Einfluß auf ihn, daß seine bisher hohe Sopranstimme auf einmal verloren ging. Nun machte man in Dresden keine Schwierigkeit mehr, ihm das öffentlich zu erlauben, was er heimlich, aber vergebens, versucht hatte.

Seine Eltern empfingen ihn, bey seiner Zurückkunft, zwar freundlich: sie geriethen aber zugleich in Verlegenheit über das, was weiter aus ihm werden sollte. Das erste, was seinem Vater beyfiel, als sie im kurz darauf eingefallenen Osterfeste mit einander in die Kirche gingen, war, daß er den Sohn aufmunterte, einen Versuch zu machen, ob er den Alt singen könnte. Anfänglich klang die Stimme ziemlich heiser und rauh, sie wurde aber so schnell beßer, daß Benda, noch an eben dem Nachmittage im Stande war, den Contralt eben so gut zu singen, als bisher den Discant.

Benda, begab sich hierauf sogleich wieder nach Prag, und bekam im Jesuiterseminario eine <33> Stelle, obgleich schon sechs Altisten da waren: denn seine Art zu singen, und der Umstand, daß er in der churfürstlichen Kapelle in Dreßden gewesen war, dienten ihm zu nachdrücklicher Empfehlung.

Im Jahr 1723 war Benda einer von den Chorsängern in der Oper: COSTANZA E FORTEZZA, die bey Gelegenheit der Krönung des Kaisers Carl VI zum Könige in Böhmen, vom kaiserlichen Oberkapellmeister Fux componirt, und zu Prag, unter freyem Himmel, aufgeführt wurde. Das Anhören der größtentheils vortreflichen Sänger, welche diese Oper vorstellten, war für unsern Benda von ungemeinem Nutzen; besonders wurde er durch das Singen des Contraltisten Gaetano Orsini bis zu Thränen gerührt.

Nach dieser Oper wurde im Jesuitercollegio, in Gegenwart des Kaisers, durch junge Herren aus dem vornehmsten böhmischen Adel, eine lateinische Comödie aufgeführt, welche mit Musik vermischt war, die der nachher so berühmt gewordene Königl. Polnische Kirchencomponist, Zelenka gesetzt hatte. Die Sänger in diesem Drama waren, Franz Benda, ein Discantist vom Chore der Kreuzherrn, und ein Italiäner, der den Baß sang. Ein jeder von ihnen hatte drey Arien zu singen: Benda ragte so weit über die andern hervor, daß ihm sein Gesang nicht allein <34> großes Lob, sondern auch eine neue Stelle bey den Kreuzherrn, mit einem beträchtlichen Gehalte, erwarb.

Hier regte sich zuerst die Lust zu componiren bey ihm. Er setzte das Salve Regina, ohne von den Regeln der Composition hinlänglich unterrichtet zu seyn, zweymal in Musik: einmal mit bloßer Begleitung der Orgel, und einmal mit Violinen. Nicht lange hierauf verlor er seine Contraltstimme, und sahe sich von neuem genöthigt, zu seinen Eltern nach Benatky zurück zu kehren.

Jetzt, da er alle Hofnung verloren sahe, als Sänger weiter in der Welt fortzukommen, und doch auch seinen Eltern nicht zur Last fallen wollte, legte er sich mit Ernst auf die Instrumentalmusik; wie er denn vorher schon einen Anfang auf der Violin gemacht hatte, ohne daß man weiß, wenn, und bey welchem Meister. Es muß indeßen in seiner frühen Jugend gewesen seyn, weil er schon in Dresden, bey den Concerten, welche die Capellknaben unter sich hielten, die Bratsche spielte, und sichs bey Vivaldi's Concerten sehr sauer werden ließ.

Aber, leider war jetzt, mit der Instrumentalmusik etwas zu verdienen, kein anderer Weg offen, als der, daß er sich entschließen mußte, zu Tanze zu spielen. Er begab sich also in die Gesellschaft einer Musikantenbande, welche auf dem <35> Lande herum zog. Unter dieser Bande war indessen ein blinder Jude, Namens Löbel, der in seiner Art ein außerordentlicher Spieler war. Er zog einen guten Ton aus seiner Geige; erdachte seine Stücke selbst, die zwar immer etwas wild, aber doch sehr artig waren. Einige seiner Tanzmelodien gingen bis ins dreygestrichene a hinauf, und doch brachte er sie äußerst rein und sicher heraus.

Das Spielen dieses Mannes erweckte in Benda eine kleine Eifersucht, so daß er seinen Fleiß verdoppelte, um ihm je eher je lieber gleich zu kommen.Um ihm auch in keinem andern Stücke etwas nachzugeben, componirte er sich Tanzstücke nach seiner Hand, die nichts weniger als leicht waren. Dieser blinde Jude ist auf diese Weise die erste und vornehmste Ursache gewesen, daß Benda der berühmte Mann und große Meister auf seinem Instrumente geworden ist.

Benda fing nun an, sich des Tanzspielens zu schämen: aber bald wäre ein Kuchenbecker in seiner Vaterstadt aus ihm geworden. Da diese Profeßion in Böhmen ziemlich einträglich ist, so hätten seine Eltern gern gesehen, daß er sie erlernt, sich in der Stadt ansäßig gemacht, und des Bürgermeisters Tochter, die ihm nicht gram war, geheyrathet hätte. Der Graf von Kleinau aber, der in Benatky residirte, widersetzte sich <36> diesem Vorhaben, und machte unserm Benda Muth, ferner bey der Musik zu bleiben. Er beschenkte ihn mit zwölf Thalern, und rieth ihm, sich wieder nach Prag zu begeben, um allda bey einem gewissen, in des regierenden Fürsten von Lobkowitz Diensten stehenden Violinisten, Namens Konyczek, die Violin weiter zu studieren. Benda folgte diesem Rathe, und begab sich von neuem nach Prag. Wegen des Honorariums wurde er mit seinem Meister bald einig. Seine Wohnung nahm er in dem Hause einer alten Wittwe, in einer Dachstube. Lebensmittel schickten ihm seine Eltern von Haus aus zu; seine Tafel aber bestand mehrentheils nur aus kalter Küche.

Die Lust zur Musik nahm nun täglich bey ihm zu. Er stand des Morgens sehr früh auf, weil er schon um sechs Uhr sich bey seinem Meister einfinden mußte. Die meisten Stunden des Tages wurden mit Violinspielen und Notenschreiben zugebracht. Es geschahe sehr oft, daß er, in einem Tage, ein ganzes Violinconcert abschrieb. Vor 11 Uhr des Abends ging er selten zu Bette.

Nachdem zehn Wochen auf diese Art verflossen waren, sagte sein damaliger Meister zu ihm, "daß er sich ein Gewissen mache, ihn länger aufzuhalten, und ferner Geld von ihm zu nehmen. Er möchte nur fernerhin für sich selbst fleißig seyn; seiner Unterweisung wäre er nicht mehr <37> benöthigt." Benda begab sich also abermals zu seinen Eltern nach Benatky, wo er zuweilen in der Kirche und auch bey dem Grafen von Kleinau Concerte spielte. Er hatte dabey mit den Söhnen des Grafen öftern Umgang; und wenn diese, wie bisweilen geschahe, Comödien unter sich aufführten, so mußte Benda dabey mehrentheils eine Frauenzimmerrolle machen.

Inzwischen besuchte der Graf von Ostein, kaiserlicher Geheimderrath, den Grafen von Kleinau. Da nun der letztere die Absicht hatte, unsern Benda, mit der Zeit als Kammerdiener [FN] in seine Dienste zu nehmen, ihn aber, als Musikus, noch geschickter und fertiger haben wollte, so bat er den Grafen von Ostein, daß er ihn, auf einige Zeit, mit sich nach Wien nehmen möchte. Benda war damals noch nicht völlig achtzehn Jahre alt.

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[2. Teil: Wien - Warschau - Dresden]

<37> In Wien empfahl ihn der Graf von Ostein an den Grafen von Uhlefeld, der sich damals durch den berühmten kaiserlichen Violoncellisten Francischello, auf dem Violoncell unterrichten ließ. Benda bekam dadurch Gelegenheit, nicht nur diesen großen Virtuosen öfters zu hören, <38> sondern auch selbst verschiedenemale mit ihm zu spielen.

Einer der besten Waldhornisten, Namens Zimmermann, welcher mit Benda Geschwisterkind war, stand damals bey dem Feldmarschall, Grafen von Montecuculi, in Diensten. Dieser Zimmermann machte ihn bey seinem Herrn bekannt, und beredete ihn, die bisherigen Dienste des Grafen von Uhlefeld zu verlassen, und in die Dienste des Feldmarschalls zu treten. Benda that es, einer kleinen Verbesserung des Gehalts wegen; blieb aber auch hier nicht länger als etwan ein halbes Jahr. Ein gewisser Baron von Andler, der nachher in den Grafenstand ist erhoben worden, beredete ihn mit nach Hermanstadt in Siebenbürgen zu gehen; aber auch hier war Benda nicht länger als ein Jahr; denn er ging mit dem Marquis von Lüneville wieder nach Wien zurück. In Siebenbürgen wurde er mit dem nachherigen Hochfürstl. Zerbstischen Concertmeister, Höckh, bekannt, und herrichtete mit ihm eine fortdauernde Freundschaft. In Wien lernte er, bey seiner Zurückkunft, den nachherigen königl. Preußischen Kammermusikus, Czarth, kennen. Benda war mit seinem Dienste bey dem Marquis, so wie Czarth mit dem seinigen bey dem Grafen von Pachta nicht sonderlich zufrieden: sie beredeten sich also mit einander, heimlich <39> davon zu gehen. Ehe sie ihr Vorhaben ausführten, fand sich auch Höckh, und einer seiner Collegen, Weidner, aus Siebenbürgen in Wien ein, und wollten ihren Weg weiter fortsetzen. Es ward nun unter diesen vieren verabredet, daß Benda und Czarth zu Fuße voraus nach Breslau gehen, Höckh und Weidner aber mit der Post nachkommen sollten. Benda, um sich unkenntbar zu machen, zog einen langen weißen Rock an, und so ging denn die Reise, mit einigen wenigen Musikalien, einem Paar Geigen, und einer Flöte, fort. Sie kamen glücklich in Breslau an, und ließen sich in der Kirche am Sande hören, wo sie von den Patern wohl aufgenommen wurden.

Höckh kam, mit seinem Gefährten, wenige Tage darnach auch in Breslau an, und nun setzten alle vier, nach einem kurzen Aufenthalte daselbst, ihre Reise, mit einem Frachtwagen, nach Warschau fort. Als sie noch wenige Meilen von dieser polnischen Hauptstadt entfernt waren, und, der großen Hitze wegen, sich von dem Frachtwagen etwas entfernt hatten, um in einem längst des Weges liegenden Walde fortzugehen, fanden sie einen vollgepackten Mantelsack. Sie gaben sich bis nach Warschau alle Mühe den Eigenthümer desselben ausfindig zu machen; da sich aber niemand meldete, erklärten sie ihn für gute <40> Prise, und theilten den Inhalt unter sich; da denn ein jeder etwas bekam, was ihm nöthig war. Benda, der sich seines langen weißen Rocks bereits zu schämen anfing, bekam, bey dieser Theilung, ein tuchenes Kleid, welches ihm so gut paßte, als ob es ein Pariser Schneider für ihn gemacht hätte.

Als sie in Warschau angelangt waren, nahmen sie ein Zimmer in dem alten Casimirischen Palaste in Besitz, welcher seit funfzig Jahren keine andere Bewohner gehabt hatte, als Eulen und Fledermäuse. Kaum hat einer der größten Heiligen die Tugend der Enthaltsamkeit strenger geübt, als diese jungen Sünder von Musikern, ob sie gleich ihre Wohnung in einem königlichen Palaste genommen hatten. Sie waren ohne Geld, ohne Plan für ihr künftiges Leben, und ohne Freunde; ihre Köpfe hatten noch für kein Geschäft ihrer Hände gesorgt; sie dachten auf nichts, als sich in ihrer Einöde die Zeit auf ihren verschiedenen Instrumenten (Czarth spielte, außer der Violin, auch die Flöte; Höckh spielte ebenfalls die Violin, und blies das zweyte Waldhorn; Weidner blies das erste, und spielte die Bratsche.) zu vertreiben, und thaten den ganzen Tag nichts, als daß sie sich übten. Es entstand darüber ein Gerede in der Stadt, daß es in dem Casimirischen Palaste spuckte; aber <41> keiner von den Nachbarn hatte das Herz zu untersuchen, von was für Art die Gespenster wären; bis man endlich dem Starosten Suchaczewsky Szaniawsky sagte, die Gespenster wären musikalisch, und er Muth genug hatte, ihnen einmal zuzuhören, da sie ihm denn so wohl gefielen, daß er sie in seine Dienste nahm.

Dieser Herr war ein großer Liebhaber der Musik, und erhielt seine Musiker in beständiger Uebung. Einsmals mußte Benda, in einem Nachmittage achtzehn Concerte spielen. Die Anzahl der Musiker wuchs bey diesem Herrn endlich bis auf neun Personen, und war eine der besten Kapellen in Polen. Da es nun in diesem Lande üblich ist, daß, wenn auch nur vier oder fünf Musiker beysammen leben, doch einer darunter den Kapellmeistertitel führt, so wurde unserm Benda dieser Titel von dem Starosten gewißermaßen aufgedrungen. Zwey und ein halb Jahr hielt Benda in diesem Dienste aus; und ob er sich gleich dabey recht wohl [FN] befand, so regte sich doch <42> immer in ihm die Sehnsucht, Deutschland wieder zu betreten.

Benda bekam unterdeß in Warschau eine Stelle in der polnischen Kapelle, und dadurch fand er Gelegenheit wieder nach Deutschland zu kommen: denn der König August der erste starb bald darauf, und Benda ging mit einem Theile des Brühlschen Gepäckes wieder nach Dresden. Hier hatte er das Vergnügen, seine Eltern, die seit fünf Jahren keine Nachricht von ihm gehabt hatten, wieder zu sehen, indem sie ihn in Dresden besuchten. Er reiste bald darauf nach Prag, um seine Verwandte, besonders den obengedachten Brixy, zu sehen; hier fand er den als Kirchencomponist und Organist an der Metropolitankirche zu Prag berühmten Sohn dieses Brixy, als ein einjähriges Kind in der Wiege.

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[3. Teil: In preußischen Diensten]

<42> Nachdem Benda wieder nach Dresden zurückgekommen war, wurden ihm durch Quanzen von Ruppin aus, Dienste bey dem jetzt regierenden Könige, damals Kronprinzen von Preussen angetragen. Er nahm diese Dienste mit Vergnügen an, und reiste über Zerbst nach Ruppin. In Zerbst ließ er sich vor der Hochfürstl. Herrschaft hören, und es wurde ihm die Concertmeisterstelle angeboten. Da er sie aber nicht annehmen konnte, so brachte er seinen Freund, Höckh, in Vorschlag, und verschrieb ihn aus Polen.

<43> Benda trat also im Jahr 1723 in die Dienste des Kronprinzen von Preussen. Er fand bey seiner Ankunft in Ruppin, den nachherigen königlichen Concertmeister, Johann Gottlieb Graun, schon allda. Noch hatte Benda keinen Violinisten gehört, der ihm, zumal im ADAGIO, soviel Genüge geleistet hätte, als dieser. Er bat ihn also freundschaftlich, drey bis vier Solos, hauptsächlich im Puncte des ADAGIO, mit ihm durchzugehen, und wurde seiner Bitte gewährt. Benda betrachtet demnach Graun als seinen zweyten Lehrmeister in der Violin. Hierauf fing er an, selbst Solos für dies Instrument zu setzen, wobey ihm wiederum des Concertmeister Grauns Verbesserungen, besonders in Ansehung des Basses, sehr zu statten kamen. Als nachher der Kapellmeister, Carl Heinrich Graun, in die Dienste des Kronprinzen trat, und mit Benda in einem Hause wohnte, schrieb dieser unter jenes Anführung, harmonische Choräle. Er wagte es hierauf eine Sinfonie, und weiter hin auch Concerte zu componiren. Quanz ward hierauf noch sein Lehrer in der musikalischen Setzkunst.

Daß die in Diensten des Kronprinzen von Preussen damals stehende Musiker in einer schlimmen Lage waren, ergiebt sich aus dem, was Burney in seiner Reise beybringt: "Der verstorbene König, sagt er, hatte dem Kronprinzen, <44> seinem Sohne, sehr ernsthaft verboten, so wenig Musik zu hören, als selbst sie zu lernen, und daher konnte dieser Prinz seine Neigung zu diesem Vergnügen nur verstohlner Weise befriedigen. Herr Quanz hat mir nachher erzählt, daß es die Königliche Frau Mutter gewesen, die dem Kronprinzen zu diesem Zeitvertreibe behülflich war, und die Musiker für ihn annahm. Aber so sehr war bey dieser Sache das Geheimniß nöthig, daß die Söhne des Apolls in großer Gefahr geschwebt hätten, wofern es dem Könige bekannt geworden wäre, daß man seine Befehle so überschritt. Der Prinz wendete oft die Jagd vor, wenn er Musik haben wollte, und hielt seine Concerte in einem Walde, oder in einem unterirdischen Gewölbe."

Da bey Gelegenheit des Kronprinzlichen Beylagers, im Jahr 1733, die verstorbene Markgräfin von Bayreuth, unsern Franz Benda in Berlin singen und spielen hörte, bat sie für ihn um Urlaub, damit er, auf einige Wochen nach Bayreuth käme. Benda reiste auch im folgenden Jahre zweymal dahin, blieb das erste mal sieben, das andre mal dreyzehn Wochen allda, und hatte die Ehre die Markgräfin im Singen zu unterrichten. Das erstemal machte er auf der Hinreise in Leipzig mit dem Kapellmeister Bach und seinen Söhnen Bekanntschaft; auf der <45> Rückreise nahm er, aus Dresden, seinen zweyten Bruder, Johann Benda, mit, und brachte ihn beym Kronprinzen von Preussen als Bratschisten in Dienste.

Im Carneval des Jahres 1738 reiste Benda, auf Einladung des Concertmeister Pisendels, welcher mit ihm einen freundschaftlichen Briefwechsel unterhielt, nach Dresden, um die Hassische Oper: LA CLEMENZA DI TITO zu hören. Er wurde daselbst mit dem russisch kaiserlichen Gesandten, dem Grafen von Keyserling bekannt, der, als ein großer Liebhaber und Kenner der Musik, ihm viele Höflichkeit erwies. In diesem gräflichen Hause hatte Benda Gelegenheit, den berühmten Lautenisten, Sylvius Leopold Weiß, in seiner ganzen Stärke zu hören. Eines Tages lud Weiß die Herren Benda und Pisendel zum Mittagsessen, und ließ heimlich Benda's Violinkasten nachholen. Den Nachmittag bat man ihn ein Solo auf der Violin zu spielen, welches ihm Pisendel mit der VIOLA POMPOSA (Dieses Instrument ist wie ein Violoncell gestimmt, hat aber in der Höhe eine Saite mehr, ist etwas größer als eine Bratsche, und wird mit einem Bande so befestigt, daß man es vor der Brust und auf dem Arme halten kann. Der ehemalige Geigenmacher in Leipzig Hofmann hat deren verschiedene, auf Angehen Joh. Seb. Bachs, verfertigt.) begleitete. Nach dem ersten Solo <46> wurde das zweyte gefordert, und so ging es immer weiter: so daß, da die Gesellschaft bis um Mitternacht beysammen blieb, und Benda vier und zwanzig Solo in seinem Kasten hatte, er nicht eher los kam, als bis er sie alle vier und zwanzig gespielt hatte. Weiß spielte dazwischen acht bis zehn Sonaten auf der Laute.

Im Jahr 1739, den 2. März verheyrathete sich Franz Benda, zum erstenmale, mit der Demoiselle Eleonora Stephani, der Tochter eines Kriegscommissarius in Colberg. Eilf Monate nach der Hochzeit, nämlich am grünen Donnerstage 1740 brannte die Stadt Rheinsberg, wo der Kronprinz damals residirte, fast völlig ab. Benda verlor bey diesem unglücklichen Brande beynahe sein ganzes Vermögen, bis auf seine Violin, und einige wenige Musikalien. Ein kurz vorher fertig gewordenes Concert verbrannte auch mit: Bendas Gedächtniß war aber so gut, daß er das Concert in zween Tagen wieder zu Papiere bringen konnte. Kurz darauf kam der Kronprinz zur Regierung, und die damalige Kapelle folgte ihm nach Berlin.

Im Jahre 1742 erhöhte der König nicht allein dem Benda die Besoldung, sondern nahm auch seine beiden jüngern Brüder, George und Joseph Benda in Dienste.

<47> In eben dem Jahre hatte Benda das Vergnügen, seine noch lebende Eltern aus Böhmen nach Berlin kommen zu lassen, und ihnen ein eigenes, für sie, in dem bey Potsdam neuangelegten Dorfe Nowawes, erbautes Haus einzuräumen; wo dieses Ehepaar die Freude erlebte, im Jahr 1756, sein 50jähriges Hochzeitjubiläum, in Gesellschaft seiner Kinder und Freunde, zu feyern.

Am 25. August 1758 starb unserm Benda seine erste Gattin, und er verheyrathete sich, zum zweytenmale, mit der Schwester der Verstorbenen. Seine Kinder sind aber alle aus der ersten Ehe. Die beiden ältesten Töchter, Wilhelmine und Maria Carolina, haben als Kammerfrauen bey der verwittweten Herzogin von Weimar in Diensten gestanden. Die zweyte ist eine sehr gute Sängerin und Klavierspielerin, jetzt die Gattin des Kapellmeister Wolfs in Weimar. Zween Söhne, Friedrich Wilhelm Heinrich, und Carl Heinrich Herrmann, sind beide als Violinisten in der königl. Preussischen Kapelle, und beide würdige Schüler ihres Vaters. Von noch zwo Töchtern, Henriette und Juliane, ist die letztere, die im Singen und Klavierspielen vortreflich war, auch verschiedene artige Kleinigkeiten componirt hat, als die Gattin des königl. Preußischen Kapellmeisters, <48> Reichardt, im vorigen Jahre gestorben.

Außer den drey oben genannten Brüdern hatte Benda noch eine Schwester, die an den Herzogl. Gothaischen Concertmeister, Hattasch, verheyrathet war, und selbst, als Sängerin, in Herzoglichen Diensten stand, vor einigen Jahren aber gestorben ist. Diese würdige Frau verdiente wegen ihrer schönen reinen Stimme, und wegen der Leichtigkeit, womit sie alles herausbrachte, Bewunderung, da ihr Körper dagegen ungewöhnlich dick und schwerfällig war.

Nach diesen kurzen Familienachrichten wollen wir noch einmal zur Musik zurückkehren. Benda mußte in den ersten Jahren seines Dienstes beym Könige fast täglich bey der Kammermusik ein paar Arien singen. Weil er aber meistentheils, wenn er gesungen hatte, Kopfschmerzen fühlte, und überdies, einige Zeit darauf, der seel. Kapellmeister Graun in Dienste kam, so machte sich Benda vom öffentlichen Singen völlig los. Indessen hat er doch, auch in den folgenden Zeiten, nicht ermangelt, mit seiner Einsicht in die Singkunst, wenigstens durch Unterweisen, andern nützlich zu seyn. Nicht nur ein paar seiner Töchter, sondern auch der brave königliche Sopranist, Paolo Bedeschi, haben das vornehmste von dem, was sie im Gesange <49> leisten, der Anweisung unsers Benda zu danken.

Seine Compositionen bestehen aus vielen Concerte und Solos, aus einigen Sinfonien und Trios.

Jetzt, da wir dieses schreiben, ist unser Benda zwar noch am Leben; aber schon seit einigen Jahren, durch Lähmungen eines Schlagflusses, außer Stand gesetzt, auf seinem Instrumente noch etwas zu unternehmen. Sonst war der Ton, den er auf der Violin herausbrachte, einer der schönsten, vollsten, reinsten und angenehmsten. Er besaß alle erforderliche Stärke in der Geschwindigkeit, Höhe und allen nur möglichen Schwierigkeiten des Instruments, und wußte zu rechter Zeit vernünftigen Gebrauch davon zu machen. Aber das edle Singbare war das, wozu ihn seine natürliche Neigung vornämlich und mit dem besten Erfolge zog. Dieses Urtheil bestätigt auch (Tagebuch 3ter Theil, S. 101) Burney: "Seine Spielart, sagt er, ist weder die Art des Tartini, Somis, Veracini, noch irgend eines Hauptes einer musikalischen Schule oder Sekte, davon ich Kenntniß hätte: sondern es ist seine eigene, und nach dem Muster gebildet, welches alles Instrumentalisten <50> studiren sollten, gutes Singen nämlich."

Daß Franz Benda, nach dem Tode des Concertmeister Grauns, an dessen Stelle zum Concertmeister war ernennet worden, hätte oben schon sollen bemerkt werden.

Mit Sr. Majestät dem Könige ist Benda zweymal in Pyrmont gewesen. Im Jahre 1754 that er mit demselben eine Reise nach Schlesien; und während dem siebenjährigen Kriege, wurde er, nebst andern von der Königl. Kammermusik, zuerst nach Breslau, und im Jahre 1760 nach Leipzig, ins Winterquartier gerufen.

Er hatte indeß auf seine eigene Kosten, kränklicher Zufälle wegen, in Gesellschaft eines Kaufmanns aus Berlin, auch eine Reise nach Wisbaden gemacht. Bey dieser Gelegenheit fiel eine kleine Begebenheit vor, die wohl werth ist, erzählt zu werden. Auf der Rückreise, nachdem er sich wieder besser befand, hielt er sich einige Tage in Frankfurth auf. Hier machte ihn ein preußischer Offizier, welcher sich auf Werbung allda befand, mit dem Hrn. Berdo, einem geschickten Violoncellisten, jedoch nicht anders als unter dem Namen eines Kaufmanns bekannt, weil Benda nicht willens war, sich irgendwo hören zu lassen. Man ersuchte den Hrn. Berdo zu spielen. Doch er entschuldigte sich, weil er niemanden hätte, der <51> ihm accompagnirte. Benda sagte: ob er zwar nur ein Liebhaber wäre, so wollte er doch einen Versuch machen, ihm mit der Violine zu accompagniren. Anfänglich machte der Accompagnist mit Fleiß Fehler, so daß sie ein paar mal aufhörten und wieder von neuem anfingen. Die Spielart des Berdo sowohl, als auch die Sonaten, die von seiner eigenen Composition waren, befriedigten des Herrn Benda Verlangen vollkommen, und er machte ihm hierüber einige Lobsprüche. Berdo machte ihm ebenfalls ein Compliment, und sagte, daß er für einen Liebhaber ziemlich Takt halte, fragte ihn auch, ob er nicht einige leichte Sonaten bey sich hätte, er wollte sie ihm accompagniren. Benda ließ sich, als Liebhaber, etwas lange bitten. Endlich sagte der Offizier zu ihm: "Da Sie bloßer Liebhaber sind, so sind Sie immer zu entschuldigen, wenn Sie auch einige Fehler machen." Auf dieses Zureden langte er endlich ein Solo hervor. Berdo erblickte auswendig auf demselben den Namen Benda. "Kennen Sie diesen berühmten Mann?" fragte er ihn. Benda erwiederte, daß er täglich mit ihm in Gesellschaft sey. Er fragte ihn weiter, wer sein Meister auf der Violine gewesen wäre. "Eben dieser Benda" gab er ihm zur Antwort. "Nun, sagte jener, ich hoffe, diesen so berühmten Mann bald von Person kennen zu lernen, und <52> ihn spielen zu hören." Benda fing sein Solo an, machte abermal Fehler und mit unter falsche Griffe. Endlich hielt er gar inne. Doch Berdo sagte, er möchte noch einmal anfangen, es würde beßer gehen. Es ging auch in der That beßer, denn nun fing er an mit mehrerm Ernst zu spielen. Es erfolgte ein bravo über das andezu spielen. Endlich stund Berdo auf und sagte: "Mein Herr, Sie sind kein Kaufmann, Sie sind Herr Benda selbst." Die Gesellschaft konnte sich nunmehr des Lachens nicht enthalten. Und nachdem er auf ferneres Bitten noch ein Solo ohne Verstellung gespielt hatte, so war er endlich völlig verrathen. Dieses war dem Berdo eine so angenehme und überraschende Freude, daß er ihn so wohl diesen als die übrigen Tage fast wenig verließ. Es besuchten ihn auch einige Fürstlich Taxische Musici, die ihn gern hören wollten; er spielte aber nicht weiter.

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[4. Teil: Schüler]

<52> Benda hat während der Zeit, als er in königl. Preußischen Diensten gestanden, verschiedene trefliche Violinisten gezogen, wovon wir nur einige anmerken wollen:

  1. Sein jüngster Bruder, Joseph Benda; der bisher den nächsten Platz nach ihm, als Violinist, im Orchester gehabt.
  2. Seine beiden oben genannten Söhne, gleichfalls Mitglieder der königl. Preußischen Kapelle.
  3. <53> Christian Heinrich Körbitz, Mitglied der Kapelle des Markgrafen in Bayreuth.
  4. Johann August Bodinus, erster Violinist in Schwarzburg-Rudolfstädtischen Diensten.
  5. Ludwig Pitscher, welcher in Diensten des Prinzen Heinrichs, in der Blüthe seiner Jahre, gestorben ist.
  6. Adam Veichtner, Concertmeister des jetzt regierenden Herzogs von Curland.
  7. C. W. Ramnitz, in Diensten des Prinzen Wilhelm von Braunschweig.
  8. Friedrich Wilhelm Rust, Musikdirektor des Fürsten von Anhalt=Dessau.
  9. Friedrich Wilhelm Mathies, in Diensten des Prinzen Heinrich.

Benda zählte in dem Jahre 1773, da ihn D. Burney in Potsdam sprach, an die 50000 Concerte, die er in den vierzig Jahren, als er in Sr. Majestät des Königs in Preussen Diensten gewesen, demselben accompagnirt hat. Schwerlich wird ein Flötenist von Profession deren so viele gespielt haben.

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