Koch: Musikalisches Lexikon

Vortrag.

<1729> Dem ersten Ansehen nach scheinen die Wörter Vortrag und Ausführung itendisch [!] zu seyn, weil man gewohnt ist, sie im Gespräche einander oft zu substituiren. Allein wenn man von der guten Ausführung eines Tonstückes spricht, so pflegt man darunter nicht bloß den gemeinschaftlichen guten Vortrag aller zum Tonstücke gehörigen Stimmen, sondern auch zugleich die reine Einstimmung der Instrumente, eine gute Stellung und verhältnismäßige Besetzung der Stimmen u.s.w. zu verstehen. Hieraus siehet man, daß man eigentlich mit dem Worte Vortrag einen eingeschränktern Sinn, als mit dem Worte Ausführung, verbindet, und unter dem Vortrage bloß die Anwendung derjenigen Kunstfertigkeiten verstehet, wodurch jede einzelne Stimme des Kunstwerkes für unser Ohr empfänglich gemacht wird.

Ist diese Anwendung der Kunstfertigkeiten so beschaffen, daß sie vollkommen dem Charakter oder Inhalte des Kunstwerkes, und dem Zwecke jeder besondern Stimme desselben, entspricht, so pflegt man sie den guten Vortrag zu nennen.

Der gute Vortrag erfordert demnach nicht bloß eine unbedingte Anwendung der Kunstfertigkeiten, das heißt, nicht bloß reine Intonation der Töne, nicht bloß Rundheit in der Darstellung der aus diesen Tönen gebildeten Figuren u.d.gl. sondern auch Genie und feinen Geschmack, um theils den Charakter des Tonstückes in allen ihm eigenthümlichen Zügen richtig aufzufassen, theils auch die Anwendung der Kunstfertigkeiten jeder zum Kunstwerke gehörigen Stimme diesem Charakter vollkommen anzupassen.

Jede Empfindung zeichnet sich durch eine ihr eigenthümliche Modification der Töne aus, und dieses Auszeichnende ist es, was bey dem Vortrage der Folge der Töne erst Bedeutung und Leben giebt, ohne welches sie nichts sind, als ein unbedeutendes Tongeräusch. In dieser Darstellung der eigentlichen Bedeutung der Töne, wodurch der Geist des Tonstückes ausgehaucht <1730> wird, bestehet das Geschäfte des guten Vortrags.

Das Nothwendigste, was über diesen Gegenstand zu sagen war, ist in den Artikeln Adagio, Con gravità, Allegro, Andante, Ausdruck, Begleitung, Deklamation u.d.gl. enthalten.

Von dem Vortrage überhaupt handeln: Gedanken über die Execution oder Ausführung musikalischer Stücke, ein Aufsatz im kritischen Musikus an der Spree. S. 207. 215-223. Anmerkungen über den Vortrag, in Hillers wöchentlichen Nachrichten die Musik betreffend, im Jahrgange von 1766 und 1767. Ein Aufsatz im ersten Stücke der Wahrheiten die Musik betreffend, Frankfurt, 1779.

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