Türk: Klavierschule - Einleitung

Vorerinnerung

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<*1> [...]

Einleitung [§. 1-53]

Klassifizierung der Tasteninstrumente [§ 1-2]

<1> §. 1. Es giebt so viele Arten von Instrumenten, welche vermittelst einer Klaviatur gespielt werden, (Klavierinstrumente,) daß ich derselben nur in möglichster Kürze gedenke, damit man sie wenigstens dem Namen nach von einander zu unterscheiden wisse. Unter die vorzüglichsten rechne ich die, außer dem eigentlichen Klaviere - von welchem nachher mehr - die Orgel, den Flügel und das Fortepiano.[...]

§. 2. Von der Orgel läßt sich in einigen Zeilen wenig oder gar nichts sagen, und eine ausführliche Beschreibung derselben gehört nicht zunächst hierher; ich verweise daher diejenigen Leser, welche Kenntnisse von diesem großen Instrumente zu haben wünschen, auf die Schriften von Adlung, Sorge, Werckmeister u.a.m. Unter Positiv (Portativ) und Regal versteht man kleine Orgeln.

Der Flügel oder Klavicymbel, italiänisch Cembalo, Clavicembalo, französisch Claveçin oder Clavessin, ist wohl bekannt genug. Wenn der Körper desselben aufwärts steht, so wird dieses Instrument Klavicytherium oder ein stehender Flügel genannt. Das Spinett ist eine kleine gemeiniglich nur einchörige [FN] Art von Flügel, worauf die Saiten schräge, nämlich von der rechten zur linken Hand gezogen sind.

<2> Das Fortepiano hat die Form eines kleinen Flügels, wird aber durch Hämmerchen angeschlagen. Man kann auf diesem Instrumente, wovon es gegenwärtig viele Arten giebt, wie auf dem Klaviere, blos durch den stärkern oder schwächern Anschlag, folglich auch ohen einen Zug zu gebrauchen, stark und schwach spielen. Einie kleine und neue Gattungen davon haben die Form eines Klavieres.

Hier in einer Anmerkung beyläufig noch einige Worte von verschiedenen andern, zum Theil weniger bekannten Klavierinstrumenten. [...]

Die Vorzüge des Klaviers (Clavichords) [§ 3-13]

<4> §. 3. Das Klavier oder Klavichord ist so allgemein bekannt, daß ich meine Leser mit einer überflüssigen Beschreibung desselben nicht aufhalten will: aber der Erfinder dieses so beliebten Instrumentes, welches anfangs freylich noch sehr unvollkommen war, verdient hier billig genannt zu werden. Nach Prinzens und verschiedener anderer musikalischen Schriftsteller Bericht wird Guido von Arezzo, ein um die Musik sehr verdienter Benediktinermönch, dafür gehalten. [FN: ...] Er lebte ungefähr in der ersten Hälfte des eilften Jahrhunderts; [FN: ...] folglich wäre unser aus dem Monochord entstandenes Instrument etwas über 700 Jahre alt.

Das Monochord (der Einsaiter) bestand ursprünglich blos aus einem etwa anderthalb Ellen langen Brete, worüber man eine Saite spannte; unter derselben war ein beweglicher Steg angebracht, vermittelst dessen man die Intervalle (Tonweiten) nach ihren Verhältnissen abmessen konnte. Man hat gegenwärtig Monochorde mit drey oder vier Saiten. [FN: ...] Auch verfertigt man, des bessern Klanges wegen, hohle Monochorde, die einen Resonanzboden und Tasten &c. haben. Es giebt noch alte Klaviere, auf welchen drey bis vier Tasten an Ein Chor Saiten anschlagen; dadurch wird die obige Meinung, daß nämlich das Klavier aus dem Monochord entstanden sey, noch wahrscheinlicher.

§. 4. Die wichtigsten Eigenschaften eines guten Klavieres sind:

  1. Es muß einen starken, vollen, aber zugleich angenehmen und singenden Ton haben, welcher sich nicht gleich nach dem Anschlage der Tasten wieder <5> verliert, sondern wenigstens vier (bis sechs) Achtel lang in einem mäßig langsamen ADAGIO fortklingt, [FN] und die Bebung deutlich hören läßt.
  2. Jeder Ton muß dem andern, in Rücksicht der ihm zukommenden Stärke und des angenehmen Klanges, gleich seyn.
  3. Es muß sich ziemlich leicht [FN] und durchgängig gleich spielen lassen; es darf nicht klappern, (knarren, knistern,) oder sonst ein Geräusch verursachen. Die Tasten müssen nicht nur selbst mit einer großen Geschwindigkeit und Schnellkraft wieder in die Höhe springen, sondern auch den Finger gleichsam nachheben helfen.
  4. Es muß bundfrey seyn; das heißt: jede Taste muß ihre eigenen Saiten (Chöre) haben, so daß z.B. nicht c und cis, oder cis und d &c. durch die nämlichen Saiten hervor gebracht werden.
  5. Der Umfang muß sich wenigstens vom großen C, jetzt lieber vom contra F, bis ins dreygestrichene f erstrecken. Man fängt sogar schon an, Klaviere zu verfertigen, welche eine noch größere Anzahl Tasten haben.
  6. Man muß den möglichsten Grad der Stärke und Schwäche darauf hervor bringen können, ohne daß der Ton dadurch rauh und undeutlich wird.
  7. Es muß die Stimmung gut halten. Die Löcher, worin die Wirbel stecken, müssen daher gut und dauerhaft gearbeitet seyn. Durch den Gebrauch der Züge, besonders des so genannten Cölestines, Pantalons &c. verstimmt sich das Klavier leicht; da nun noch überdies der Lernende dabey einen schlechten (hackenden) Vortrag bekommt, so sind die Züge, im Ganzen genommen, eben nicht zu empfehlen.
  8. Es muß eine richtige Mensur haben; das heißt: die Saiten müssen, in Absicht auf die Länge und Stärke, ein richtig abgemessenes Verhältniß <6> gegeneinander haben, sonst halten sie nicht, oder sie geben einen dumpfen Ton und verstimmen sich fast immer; nimmt man die Saite schwächer, so wird der Ton zu jung. (nicht voll genug.)

Daß übrigens ein Klavier von gutem trockenen Holze und dauerhaft gearbeitet seyn muß, versteht sich von selbst.

[...]

§. 7. Daß man es in Ansehung der Geschwindigkeit auf dem Klaviere weiter bringen kann, als auf den mehrsten andern Instrumenten, verdient gleichfalls mit unter die Vorzüge desselben gerechnet zu werden.

Ich verdenke es den Geigern und allen übrigen Instrumentisten nicht, wenn sie den Klavierspielern diesen Vorzug streitig zu machen suchen, weil Jeder mit Recht für sein Instrument eingenommen ist, und es dem Andern nicht nachgesetzt wissen will: indeß findet man doch weit mehrere außerordentlich fertige Klavierspieler <7> als andere Instrumentisten. Auch ist hier nicht von einzelnen Passagen, sondern vom Ganzen, die Rede.

§. 8. Einige kleine Nebenvorzüge scheinen mir unter andern noch diese zu seyn, daß das Klavier, wenn man es gehörig in Acht nimmt, ohne viel Kosten in gutem Stande erhalten werden kann, und wegen der Dratsaiten auch die Stimmung länger hält, als andere Saiteninstrumente; daß ferner auch das Frauenzimmer mit Anstand darauf spielen und dazu singen kann; daß es sogar solche Personen erlernen könne, welche außer gesunden, starken und gelenken Fingern, eben nicht die schärfsten Augen, den stärksten Körper und die gesundeste Lunge haben; wie das Eine oder das Andere bey verschiedenen Saiten= und Blasinstrumenten, zum Theil auch beym Singen, erfordert wird.

Daß dies Letztere vom Talent und einem guten musikalischen Ohre nicht zu verstehen ist, brauche ich wohl kaum zu erinnern; denn bey welchem Musiker werden diese beyden Naturgaben nicht vorausgesetzt? Da aber das Klavier weniger körperliche Kräfte erfordert, so können auch schwächliche Personen die nöthige Uebung darauf verwenden. Indeß ist derjenige freylich auch in dieser Rücksicht glücklicher, welchem die Natur jene oben genannten Gaben nicht versagt hat.

§. 9. Das eigentliche Klavier oder Klavichord hat vor den meisten übrigen Klavierinstrumenten noch die besondern Vorzüge, daß man auf demselben die Bebung &c. vortragen, alle dem Instrumente eigene Grade der Stärke und Schwäche schnell abwechselnd hervor bringen, und folglich mit weit mehr Ausdruck spielen kann, als z.B. auf dem Flügel [Cembalo].

§. 10. Aller dieser Vorzüge ungeachtet, ist das Klavichord doch auch in mancher Rücksicht sehr unvollkommen, wie kein Unparteyischer leugnen wird. So gehört z.B. die kurze Dauer des Tones, wovon aber die Orgeln &c. ausgenommen sind, unstreitig zu den Unvollkommenheiten unsers Instrumentes. Man wird selten ein Klavier antreffen, worauf der Ton, in mäßigem Zeitmaße, drey bis vier Viertel lang in gleicher Stärke fortklingt, da man hingegen auf verschiedenen andern Instrumenten einen Ton ganz bequem mehrere Takte hindurch, mit ab= und zunehmender Stärke <8> aushalten kann. Und leider! müssen wir auch dieses Anwachsen (Anschwellen) und Abnehmen des Tones, wodurch uns der Sänger und Instrumentist oft so sehr hinreißt, bey dem Klavichorde entbehren.

§. 11. Auch die Schwäche des Tones ist eine Unvollkommenheit des Klavieres; denn obgleich die Stärke nicht immer ein Vorzug seyn mag, so ereignen sich zuweilen doch Umstände, z.B. wenn man ein Trio mit einer Violine oder einem andern Instrumente spielen will, wo man wohl einen etwas stärkern Ton wünschen möchte.

§. 12. Eine dritte aber weniger auffallende Unvollkommenheit besteht darin, daß man auf dem Klaviere &c. auch bey der besten Stimmung nie ganz rein spielen kann; denn da, nach der gegenwärtigen Einrichtung, jede Taste die Stelle mehrerer Töne vertreten muß, die im Grunde alle von einander verschieden seyn sollten: so folgt ganz natürlich, daß es nicht möglich ist, ein solches Klavierinstrument vollkommen rein zu stimmen. [FN: ...] Indeß ist unser Ohr schon so verwöhnt, daß es diese kleine Abweichung von der größten Reinigkeit vrtragen kann. Ein Klavier heißt daher immer noch rein gestimmt, wenn es gut temperirt ist.

§. 13. Der angezeigten Mängel [FN: Vielleicht ließen sich deren noch mehrere aufsuchen.] ungeachtet, findet das Klavier doch immer noch die mehrsten Liebhaber; und dies könnte schon einigermaßen einen Beweis abgeben, daß die Vorzüge desselben sehr überwiegend seyn müssen, besonders da dieses Instrument nicht so gar leicht zu lernen ist. Vielleicht hat auch der Umstand, daß so viele große Tonsetzer für das Klavier geschrieben haben, viel zur fast allgemeinen Schätzung desselben beygetragen.

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