Engel: Musikalische Malerei Startseite

Johann Jacob Engel:
Über die musikalische Malerei (1780).
Berlin 1802.

Einführung

Johann Jacob Engel (1741-1802) gilt als einer der einflußreichsten Vertreter der Berliner Aufklärung. Er war Hauslehrer der Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt und wurde später Erzieher des Prinzen Friedrich Wilhelm, des späteren Königs Friedrich Wilhelm III. Seine zahlreichen popularphilosophischen und -ästhetischen Aufsätze zeugen von dem großen Interessenspektrum dieses Universalgelehrten und fanden im ausgehenden 18. Jahrhundert weite Verbreitung. Sein Libretto "Der Apotheker" wurde u.a. von Christian Gottlob Neefe, dem ersten Lehrer Beethovens, vertont.

Die Schrift "Über die musikalische Malerei" wendet sich gegen die Nachahmungsästhetik, die seit dem frühen 18. Jahrhundert das barocke System der musikalischen Affektenlehre abgelöst hatte. Den Anhängern der Nachahmungsästhetik (u.a. Dubos und Batteux) war jegliches Kunstschaffen ein Nachahmen der Natur. Musik, die nicht nachahmte, galt als bloßes Geräusch. Dies hatte für die Instrumentalmusik zur Folge, daß sie unter einem ständigen inhaltlichen Rechtfertigungszwang stand. So ist etwa von dem französischen Literaten Bernhard Fontenelle der provokative Ausspruch überliefert: "Sonate, que me veux-tu?" (Sonate, was willst du mir sagen?)

Engel versucht, diese Position aufzuweichen: Für den Bereich der Vokalmusik läßt er die musikalische Malerei noch gelten, weil sich hier Text und Musik ergänzen; in der Instrumentalmusik jedoch stellt er das Prinzip der Nachahmungsästhetik in Frage: Die musikalische Malerei bleibt dem Hörer unverständlich, da ihr Ausdruck allzu unbestimmt ist. (Eduard Hanslick geht 75 Jahre später noch weiter und prägt die Formulierung von der Instrumentalmusik als "tönend bewegter Form".)

Für die Instrumentalmusik unterscheidet Engel drei Stufen der Nachahmung: Musikalische Malerei hat nur dort eine Berechtigung, wo sie klangliche Ereignisse nachahmt wie Gewitter, Tierrufe oder Schlachtenlärm; nach dem Prinzip der Analogie ("transzendentelle Ähnlichkeiten") lassen sich mit Hilfe von Musik auch allgemeine Eigenschaften beschreiben wie Geschwindigkeit oder Hell und Dunkel. Die eigentliche Stärke der Instrumentalmusik liegt indes darin, daß sie die Empfindungen und Bewegungen der Seele auszudrücken vermag. Dem objektiv Darstellbaren der musikalischen Malerei wird damit das subjektive Empfinden und die Bewegung der Seele gegenübergestellt.

Auf Engels ästhetische Überlegungen bezieht sich wahrscheinlich auch Beethovens Anmerkung, die er in die erste Violinstimme der sechsten Sinfonie notierte: "Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei."

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