L. Mozart, Violinschule Startseite

Mozart, L.: Violinschule

Vorrede

<*1> Viele Jahre sind es, als ich für jene, welche sich von mir in der Violin unterweisen ließen, gegenwärtige Regeln niedergeschrieben hatte. Es wunderte mich oft recht sehr, daß zu der Erlernung eines so gewöhnlichen, und bey den meisten Musiken fast unentbehrlichen Instruments, als die Violin ist, keine Anweisung zum Vorschein kommen wollte: da man doch guter Anfangsgründe und absonderlich einiger Regeln über die besondere Strichart nach dem guten Geschmacke schon längst wäre benöthiget gewesen. Mir that es oft sehr leid, wenn ich fand, daß die Lehrlinge so schlecht unterwiesen waren: daß man nicht nur alles vom ersten Anfange nachholen; sondern viele Mühe anwenden mußte die ihnen beygebrachten, oder wenigstens nachgesehenen Fehler wieder abzuziehen. Ich fühlte ein grosses Beyleid, wenn ich schon gewachsene Violinisten, die sich manchmal nicht wenig auf ihre Wissenschaft einbildeten, ganz leichte Passagen, die etwa nur dem Striche nach von der gemeinen Spielart abgiengen, ganz wider die Meinung des Componisten vortragen hörte. Ja, ich erstaunte, wenn ich gar sehen mußte, daß sie auch bei mündlicher Erklärung des schon angezeigten Vortrages, und bey wirklicher Vorspielung desselben, dennoch das Wahre und Reine kaum, oder oft gar nicht erreichen konnten.

[...]

<*2> Ob sie [diese Blätter] nun aber so abgefaßt sind, wie es Herr Marpurg [Kommentar] und andere gelehrte Musikverständige wünschen; dieß ist eine Frage, die nicht ich, sondern die Zeit beantworten kann. Und was könnte ich denn wohl auch davon sagen, ohne mich zu tadeln oder zu loben? Das Erste will ich nicht: denn es läuft wieder die Eigenliebe. Und wer würde mir doch glauben, daß es mein Ernste wäre? Das Zweyte läuft wider die Wohlanständigkeit; ja es läuft wider die Vernunft und ist sehr lächerlich: da jedermann weis, was für einen üblen Geruch das eigene Lob nach sich läßt. Wegen der Herausgabe dieses Buches werde ich mich wohl nicht entschuldigen dörfen: weil dieß, meines Wissens, die erste Anweisung zur Violin ist, welche öffentlich erscheinet. Wenn ich mich bey der gelehrten Welt entschuldigen sollte: so müßte es nur wegen der Art der Abhandlung und des Vortrages seyn.

Es ist noch vieles abzuhandeln übrig. Dieß ist der Vorwurf, den man mir vielleicht machen wird. Doch, <*3> was sind es für Sachen? Solche, die nur dazu gehören der schlechten Beurtheilungskraft manches Concertisten ein Licht anzuzünden, und durch Regeln des guten Geschmackes einen vernünftigen Solospieler zu bilden. Den Grund zur gute Spielart überhaupt habe ich hier geleget; das wird mir niemand absprechen. Dieß allein war auch itzt meine Absicht. Hätte ich das übrige noch vortragen wollen; so würde das Buch noch einmal so groß angewachsen seyn; welches ich doch hauptsächlich zu vermeiden gedachte. Mit einem Buche, welches den Käufer ein bischen mehr kostet, ist sehr wenigen gedienet: und wer hat es nöthiger eine solche Anweisung sich beyzuschaffen als der Dürftige, welcher nicht im Stande ist auf lange Zeit sich einen Lehrmeister zu halten? Stecken nicht oft die besten und fähigsten Leute in der grösten Armut; die, wenn sie ein taugliches Lehrbuch bey Händen hätten, in gar kurzer Zeit es sehr weit bringen könnten?

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<*4> Endlich muß ich frey gestehen, daß ich diese Violinschule nicht nur zum Nutzen der Schüler, und zum Behufe der Lehrmeister geschrieben habe: sondern daß ich sehr wünsche alle diejenigen zu bekehren, die durch ihre schlechte Unterweisung ihre Lehrlinge unglücklich machen; weil sie selbst solche Fehler an sich haben, die sie, wenn sie nur ihrer Eigenliebe auf eine kurze Zeit entsagen wollten, gar bald erkennen würden.

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