L. Mozart, Violinschule Startseite

Mozart, L.: Violinschule

Das eilfte Hauptstück.

Von dem Tremolo, Mordente und einigen anderen willkührlichen Auszierungen. [§. 1-22]

[Tremolo: §. 1-7]

<243> §. 1. Der Tremolo [Fußnote: ...] ist eine Auszierung die aus der Natur selbst entspringet, und die nicht nur von guten instrumentisten, sondern auch von geschickten Sängern bey einer langen Note zierlich kann angebracht werden. Die Natur selbst ist die Lehrmeisterin hiervon. Denn wenn wir eine schlaffe Seyte oder eine Glocke stark anschlagen; so hören wir nach dem Schlage eine gewisse wellenweise Schwebung (ONDEGGIAMENTO) des angeschlagenen Tones: und diesen zitternden Nachklang nennet man Tremolo, oder Tremoleto.

§. 2. Man bemühet sich diese natürliche Erzitterung auf den Geiginstrumenten nachzuahmen wenn man den Finger auf eine Seyte stark niederdrücket, und mit der ganzen Hand eine kleine Bewegung machet; die aber nicht nach der Seite sondern vorwärts gegen den Sattel und zurück nach dem Schnecken gehen muß: wovon schon im fünften Hauptstücke einige Meldung geschehen ist. Denn gleich wie der zurück bleibende zitternde Klang einer angeschlagenen Seyte oder Glocke nicht rein in einem Tone fortklinget; sondern bald zu hoch bald zu tief schwebet: eben also muß man durch die Bewegung der Hand vorwärts und rückwärts diese zwischentönige Schwebung genau nachzuahmen sich befleissigen.

§. 3. Weil nun der Tremolo nicht rein in einem Tone, sondern schwebend klinget; so würde man eben darum fehlen, wenn man iede Note mit dem Tremolo abspielen wollte. Es giebt schon solche Spieler, die bey ieder Note beständig <244> zittern, als wenn sie das immerwährende Fieber hätten. Man muß den Tremolo nur an solchen Orten anbringen, wo ihn die Natur selbst hervor bringen würde: wenn nämlich die gegriffene Note der Anschlag einer leeren Seyte wäre. Denn bey dem Schlusse eines Stückes, oder auch sonst bey dem Ende einer Passage, die mit einer langen Note schliesset, würde die letzte Note unfehlbar, wenn sie auf einem Flügel z.E. angeschlagen würde, eine gute Zeit nachsummen. Man kann also eine Schlußnote, oder auch eine iede andere lang aushaltende Note mit dem Tremoleto auszieren.

§. 4. Es giebt eine langsame, eine anwachsende, und eine geschwinde Bebung. [...]

§. 5. Man muß aber die Bebung mit einem starken Nachdrucke des Fingers machen, und diesen Nachdruck allemal bey der ersten Note iedes Viertheils; in der geschwinden Bewegung aber auf der ersten Note eines ieden halben Viertheils anbringen. Zum Beyspiele will ich hier einige Noten setzen, die man sehr gut mit dem Tremolo abspielet; ja die eigentlich diese Bewegung verlangen. Man muß sie in der ganzen Applicatur abgeigen. <245>

In den zweyen Beispielen N. 1. fällt die Stärke der Bewegung auf die mit der Zahl (2) bemerkte Note: weil sie die erste note des ganzen oder halben Viertheils ist. In dem Bespiele N. 2. hingegen trift die Stärke aus eben der Ursache auf die mit der Zahl (1) bezeichnete Note.

§. 6. Man kann den Tremolo auch auf zween Seyten und also mit zweenen Fingern zugleich machen.


<246> §. 7. Bevor man eine Cadenze anfängt, die man beym Schlusse eines Solo nach eigener Erfindung dazu machet, pflegt man allemal eine lange Note entweder im Haupttone oder in der Quinte auszuhalten. Bey solcher langen Aushaltung kann man allzeit einen anwachsenden Tremolo anbringen. Z.E. Man kann bey dem Schlusse eines Adagio also spielen.

<247> Man muß aber den Strich mit der Schwäche anfangen, gegen der Mitte zu wachsen, so: daß die größte Stärke auf den Anfang der geschwindern Bewegung fällt; und endlich muß man wieder mit der Schwäche den Strich enden.

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[Mordent: §. 8-14]

§. 8. Nun kommen wir auf den Mordente. Den Mordente nennet man die 2, 3, und mehr kleine Nötchen, die ganz schnell und still die Hauptnote, so zu reden, anpacken; sich aber augenblicklich wieder verlieren, daß man die Hauptnote nur allein stark klingen höret [Fußnote]. Nach der gemeinen Redensart heißt er der Mordant, die Italiener nennen ihn Mordente; die Franzosen aber PINCÉ.

§. 9. Der Mordant wird auf dreyerley Art gemacht. erstlich kömmt er aus der Hauptnote selbst. Zweytens aus den zweenen höher und tiefer liegenden nächsten Tönen. Drittens wird er mit drey Noten gemacht: wo die Hauptnote zwischen den zweenen benachbarten Tönen anschlägt. Hier sind alle drey.

Ich weis sehr wohl, daß sonst nur die erste Gattung, oder das so genannte französische PINCÉ als der eigentliche Mordente das Bürgerrecht hat. Allein, <248> da diese meine zwote und dritte Gattung auch Beisser sind und folglich die Eigenschaften eines Mordente haben, warum sollte man sie nicht auch unter die Mordente mitlauffen lassen? kann es denn nicht höfliche und unhöfliche Anbeisser geben? Meine zwote Gattung sieht zwar etwas dem anschlage ähnlich, und die dritte scheinet ein Schleiffer zu seyn. Der Vortrag unterscheidet sie aber gänzlich. Es giebt punctierte und unpunctierte Anschläge, und so wohl die Anschläge als schleiffer gehören zum singbaren Vortrage und werden nur im langsamen oder gemässigten Zeitmaase zur Ausfüllung und Verbindung des Gesanges veränderlich gebraucht. Diese zwote und dritte Gattung der Mordente hingegen sind unveränderlich, werden mit der größten Geschwindigkeit vorgetragen, und die Stärke fällt allezeit auf die Hauptnote.

[...]

<249> §. 13. Ueberhaupts muß man den Mordente nur brauchen, wenn man einer Note einen besondern Nachdruck geben will. Denn die Stärke des Tones fällt auf die Note selbst: Der Mordant hingegen wird ganz schwach und recht geschwind an die Hauptnote nachgeschleifet; sonst würde er kein Mordant mehr heissen. Er macht die Note lebhaft; er unterscheidet sie von den übrigen, und giebt dem ganzen Vortrage ein anderes Ansehen. Man pflegt ihn also bey ungleichen Noten meistentheils am Anfange eines Viertheils anzubringen: denn dahin gehöret eigentlich der Nachdruck. Z.E.

§. 14. Endlich muß ich noch erinnern, daß gleichwie bey den Voschlägen, also auch hier der absteigende Modant allemal besser als der aufsteigende ist: und zwar aus deen nämlichen Ursachen die wir bey den Vorschlägen beygebracht haben. <250> Uebrigens bestehet der gute Vortrag eines Mordenten in der Geschwindigkeit; ie geschwinder er vorgetragen wird, ie besser ist er. Man muß aber das Geschwinde nicht bis auf das Unverständliche treiben. Auch bey dem geschwindesten Vortrage muß man die Noten verständlich und recht körnicht ausdrücken.

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[Ribattuta: §. 15-17]

[...]

[Groppo: §. 18.]

[...]

[Cirkel und Halbcirkel: §. 19.]

[...]

[Tirata: §. 20-21]

<256> §. 22. Alle diese Auszierungen brauche man aber nur, wenn man ein Solo spielet; und dort sehr mäßig, zur rechten Zeit, und nur zur Abwechselung einiger öfter nacheinander kommenden Passagen. Und man sehe wohl auf die Vorschrift des Componisten: denn bey der Anwendung solcher Auszierungen verräth man am ehesten seine Unwissenheit. Absonderlich aber hüte man sich vor allen willkürlichen Zierraten, wenn mehrere aus einer Stimme spielen. Was würde es vor eine Verwirrung geben, wenn ieder nach seinem Sinne die Noten verkräuseln wollte? und würde man nicht letztlich wegen den verschiedenen ungeschickt eingemischten anscheulichen Schönheiten keine Melodie mehr verstehen? ich weiß wie bange einem wird, wenn man die singbarsten Stücke durch unnötige Verzierungen so erbärmlich verstümpeln höret. Ich will in dem folgenden Hauptstücke hiervon etwas mehrers reden.

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